Blasmusikvereine prägen das musikalische Leben in vielen ländlichen Räumen Deutschlands. Nach den pandemiebedingten Lockdowns, Einschränkungen und damit verbundenen Unsicherheiten herrscht in den Musikvereinen, so unser Eindruck aus dem Forschungsprojekt MOkuB, große Freude darüber, die Musikvereinsaktivitäten nun wieder aufnehmen zu können. Es wird geprobt, Jugendarbeit durchgeführt, es werden Feste gefeiert, Ausflüge gemacht und Traditionen gepflegt. Die Covid-19-Pandemie prägt dennoch nach wie vor das Vereinsleben durch Krankheitsfälle oder Veranstaltungsabsagen. Zusätzlich stehen Musikvereine schon seit längerem vor weiteren Herausforderungen, etwa der Suche nach Dirigent:innen und Instrumentallehrer:innen. Auch der Gewinn neuer Mitglieder erweist sich für manche Vereine als schwierig. All diesen Herausforderungen treten Musikvereine teils mit knappen finanziellen Ressourcen, mit denen sie ihren Alltagsarbeit bestreiten, entgegen, was eine zusätzliche Herausforderung darstellt. Zur Bewältigung der Herausforderungen werden Konzepte entwickelt, Ideen umgesetzt und neue Formate der musikalischen und sozialen Begegnung erprobt. Auf diese vielschichtige und lebendige Musikvereinsszene warf die Tagung “Land–Musik–Verein”, umrahmt mit musikalischen Beiträgen, einen multiperspektivischen Blick.
Ein Themenbereich, dem sich mehrere Beiträge der Tagung zuordnen lassen, ist die Professionalisierung. So fand beispielsweise eine Podiumsdiskussion zur Professionalisierung der Musikvereinsszene in den Hochschulen statt, bei der Professorin Carmen Heß,Professorin für Instrumental- und Gesangspädagogik, Noah Ruoff, Student an der Hochschule für Musik Freiburg und Leiter eines Musikvereins, Professor Hermann Pallhuber,Leiter des Studiengangs Blasorchesterleitung und Christoph Karle,Direktor der BDB-Musikakademie ihre Perspektiven zur Verbindung von Musikhochschulen und Musikvereinen teilten. Des Weiteren fand im Rahmen der Tagung ein Workshop zur Instrumentation und dem Dirigat zum Ausdruck von Atmosphären in der Blasmusik vom Komponisten und Dirigenten Bert Appermont statt.
Darüber hinaus gab es auch zahlreiche Beiträge, die das Themenfeld der Kooperation beleuchteten. So wurde etwa über die Zusammenarbeit von Musikschulen und Musikvereinen in der Region Flandern (Niederlande) gesprochen und somit von Lierin Buelens und Thomas Geudens eine internationale Perspektive auf die Amateurmusik mit Blasinstrumenten eröffnet. Es wurden auch Forschungsergebnisse aus dem Projekt MOkuB zu Perspektiven von Musikvereinsmitgliedern auf Bläserklassen vorgestellt. Des Weiteren berichtete Cesar Masano Cavaloti vom Kooperationsprojekt DaCapo, in das Musikvereine, Musikschulen und allgemeinbildende Schulen eingebunden sind.
Auch unter dem Themenfeld der Teilhabe versammelten sich mehrere Beiträge. So hielten zum Beispiel Professor Andreas Lehmann-Wermser und Julius Kopp vom Forschungsprojekt Periphere Regionen, Teilhabe und Schule (Pretus) einen Vortrag zu den Passungsverhältnisse zwischen Schüler:innen und Musikvereinen in der Harzregion. Eine weitere internationale Perspektive brachte Chris David Westover-Munoz (USA) ein. Er plädierte dabei für eine Betrachtung der Musikvereine als soziale ästhetische Praxis.
Auch zum Themenbereich der Intergenerationalität konnten Einblicke in das Forschungsprojekt MOkuB gegeben werden. Jedoch eröffneten sich auch andere Perspektiven. So zeigte beispielsweise Ute Konrad, wie ein Musikverein mit einer Pflege- und Wohneinrichtung zusammenarbeitet und wie dadurch trotz Vulnerabilität kulturelle Teilhabe ermöglicht wird. Professor Andreas C. Lehmann, vom Projekt „Handelnde, ihre Erfahrungen und Verbindungen als Erfolgsfaktoren von (kultureller) Teilhabe in peripheren Regionen“ (KuBiNetze) und Julia Gehring arbeiteten heraus, was Erwachsene motiviert, in einem kirchlichen Posaunenchor mitzuwirken und lieferten damit wichtige Anhaltspunkte für die Gestaltung von Ensemblearbeit für die Erwachsenengeneration.
Insgesamt war die hybride Tagung reich an angeregten Diskussionen, Denkimpulsen und Ideen für die Weiterarbeit in Praxis und Wissenschaft. Weitere Hinweise zum Forschungsprojekt und Zugang zu den veröffentlichten Beiträgen finden sich hier