Das war 2022 an der Universität Leipzig

Ein besonderes Jahr neigt sich dem Ende zu – höchste Zeit, um 2022 in bewegten Bildern, interessanten O-Tönen und resümierenden Zeilen Revue passieren zu lassen: mit dem neuen Jahresrückblick der Universität Leipzig.

Zum Jahresrückblick

Besetzung des Audimax: Universitätsleitung sucht das Gespräch

Am Montagnachmittag haben Klimaaktivist:innen der Gruppe "End Fossil: Occupy!" das Audimax der Universität Leipzig besetzt. Es waren zunächst rund 20 Personen vor Ort. Morgen Vormittag werden Gespräche mit Vertretern der Universitätsleitung stattfinden. Die Aktivist:innen fordern die Universität unter anderem dazu auf, bis 2030 klimaneutral zu werden.

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Das war der Dies academicus 2022

613 Jahre alt und vielfältig und bunt wie immer – unsere Alma mater Lipsiensis feierte ihren Geburtstag am 2. Dezember 2022 mit einem bunten Programm und über 50 Veranstaltungen. Die Universitätsgesellschaft – Freunde und Förderer der Universität Leipzig vergab wieder zahlreiche Preise für besonderes Engagement im Studium, Lehre, Transfer und weiteren Aufgabengebieten. Der Jahresempfang der Universität rundete den Tag ab.

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Neue Direktorin der Universitätsbibliothek in Amt eingeführt

Dr. Anne Lipp ist am vergangenen Freitag (9. Dezember) feierlich in ihr Amt als neue Direktorin der Universitätsbibliothek Leipzig (UBL) eingeführt worden. Sie ist die erste Frau an der Spitze der 1543 gegründeten Bibliothek. Die 54-Jährige tritt die Nachfolge von Prof. Dr. Ulrich Johannes Schneider an, der im März dieses Jahres in den Ruhestand gegangen ist.

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zum Blogbeitrag der UBL


„Bedrohungslage im Cyberraum sehr stark gestiegen“

Drei Fragen an Steffen Rienecker, Informationssicherheitsbeauftragter, anlässlich des bundesweiten Warntages und eines Cyberangriffs an der Universität Duisburg-Essen.

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Nachricht vom

Rektorin Prof. Dr. Eva Inés Obergfell hat dem sächsischen Wissenschaftsministerium Dr. Jörg Wadzack als neuen Kanzler der Universität Leipzig vorgeschlagen. Vorausgegangen war eine Anhörung im nicht-öffentlichen Teil der November-Sitzung des Senats. Der Hochschulrat hatte im Anschluss sein Einvernehmen mit dem Personalvorschlag erklärt. Jörg Wadzack ist aktuell Kanzler der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

„Wir hoffen alle auf ein zügiges Verfahren, so dass Herr Dr. Wadzack im Frühjahr 2023 die Nachfolge von Frau Prof. Dräger antreten kann“, sagte Rektorin Obergfell. „Mit seinen umfangreichen Erfahrungen im Hochschul- und Wissenschaftsmanagement und seiner erfolgreichen Amtsführung an der Universität Magdeburg ist er bestens geeignet, um im Team des Rektorats die anstehenden Aufgaben des Kanzlers der Universität Leipzig zu meistern. Auch als Persönlichkeit hat er die Findungskommission beeindruckt.“

Dr. Jörg Wadzack wurde 1965 in Berlin geboren. Er ist studierter Diplom-Chemiker und verfügt über 20 Jahre Berufserfahrung im Forschungs- und Wissenschaftsmanagement. Durch seine Tätigkeiten unter anderem in einem internationalen Großforschungsprojekt und als Referent im Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie seine Erfahrungen in der Implementierung des Zukunftskonzepts der Freien Universität Berlin bringt Dr. Wadzack ein sehr breites Wissen mit. Vor seinem Wechsel an die Otto-von-Guericke-Universität war er Geschäftsbereichsleiter beim Projektträger Jülich, wo er die Themen Ausgründungen, Technologietransfer und regionale Innovationsförderung verantwortet hat. Seit 2016 ist er Kanzler der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

 


Nachricht vom

Bauchfett ist ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko. Das sogenannte viszerale Fett steht in engem Zusammenhang mit der Entwicklung von Herzerkrankungen, Diabetes und Bluthochdruck. Nun entdeckte ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig, dass eine bestimmte mediterrane Ernährungsform das unliebsame Bauchfett zum Schmelzen bringt.

Die sogenannte grüne mediterrane Ernährung wurde in einer groß angelegten klinischen Interventionsstudie mit 294 Proband:innen durchgeführt. Im Vergleich zu klassischen Diäten ergaben die Analysen, dass die grüne mediterrane Diät das viszerale Fett um 14 Prozent reduziert. Die Ergebnisse der 18-monatigen Studie wurden im Fachjournal BMC Medicine veröffentlicht.

Das Besondere an der grünen Mittelmeerdiät ist eine pflanzenbasierte Ernährung, die einen hohen Anteil natürlich vorkommender chemischer Verbindungen, die Polyphenole, aufweist. In den vergangenen Jahren wurden ihre gesundheitsfördernden und entzündungshemmenden Eigenschaften umfassend untersucht. Natürliche Polyphenole kommen in pflanzlichen Nahrungsmitteln, wie etwa im grünen Tee oder in Walnüssen, vor.

In der Studie ernährten sich die Teilnehmer:innen nach dem traditionellen mediterranen Prinzip. Die Mahlzeiten setzten sich aus einem hohen Anteil an pflanzlichem Protein und Polyphenolen sowie weniger rotem Fleisch zusammen. Täglich nahmen die Proband:innen außerdem Walnüsse (28 Gramm), drei bis vier Tassen grünen Tee und 100 Gramm Wasserlinsenshake zu sich. Die grüne Wasserpflanze „Wasserlinse“ ist reich an Protein, Eisen, Vitamin B12, anderen Vitaminen, Mineralstoffen und Polyphenolen und ersetzt die Fleischaufnahme. Sie ist hierzulande auch als „Entengrütze“ bekannt.

Viszerales Fett als Ziel der Gewichtsabnahme

Die Reduzierung des viszeralen Fetts ist das eigentliche Ziel der Gewichtsabnahme, da er als Indikator wichtiger ist als das Gewicht oder der Taillenumfang einer Person. Viszerales Fett sammelt sich im Laufe der Zeit um die inneren Organe an und produziert Hormone und Gifte, die mit Herzkrankheiten, Diabetes, Demenz und vorzeitigem Tod in Verbindung stehen.

Die Forschung wurde von Iris Shai, Professorin der Ben-Gurion Universität des Negev/Israel, außerordentliche Professorin der Harvard School of Public Health und Gastprofessorin der Universität Leipzig an der Medizinischen Fakultät geleitet. „Ziel ist es, die Mechanismen verschiedener Nährstoffe zu verstehen. Zum Beispiel positive wie die Polyphenole und negative wie leere Kohlenhydrate sowie verarbeitetes rotes Fleisch auf das Tempo der Fettzelldifferenzierung und deren Anhäufung in den Eingeweiden“, sagt Prof. Shai.

Das Forschungsteam, bestehend aus israelischen, amerikanischen, italienischen und Leipziger Wissenschaftler:innen hat das Konzept der grünen mediterranen Ernährung als erstes eingeführt.  Die Forschenden haben bereits in früheren Studien gezeigt, dass die grüne mediterrane Diät eine Vielzahl heilsamer Wirkungen hat, die vom Mikrobiom bis hin zu altersbedingten degenerativen Erkrankungen reichen.

Originaltitel der Publikation: The effect of high-polyphenol Mediterranean diet on visceral adiposity: the DIRECT PLUS randomized controlled trial. Doi: 10.1186/s12916-022-02525-8

Die Expertin Prof. Dr. Iris Shai ist seit dem 1. April 2022 Gastprofessorin für Ernährungswissenschaften an der Medizinischen Fakultät.

 

Nachricht vom

Am Dies academicus war das Interesse am mobilen Quantencomputer der Firma SaxonQ groß: Prof. Dr. Jan Meijer vom Felix-Bloch-Institut für Festkörperphysik stellte seine Funktionsweise in der gleich zweimal vollbesetzten Galerie im Neuen Augusteum vor. Meijer und das SaxonQ-Team begeisterten und waren begeistert. Zehn Tage später (12. Dezember 2022) dürfte die Freude bei der aus der Universität Leipzig ausgegründeten Firma umso größer sein: Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat den Leipziger Start-ups SaxonQ und XeedQ einen Auftrag zur Entwicklung von Quantencomputern erteilt, die auf Stickstoff-Fehlstellen in Diamant basieren.

"Für die SaxonQ und für die gesamte Quantentechnologie-Forschung in Leipzig ist der Vertragsschluss natürlich ein sehr großer Erfolg“, sagt Meijers Institutskollege Prof. Dr. Marius Grundmann, Geschäftsführer von SaxonQ. Die DLR-Aufträge an die beiden Unternehmen haben ein Gesamtvolumen von 57 Millionen Euro.

Quantencomputer erlauben gegenüber klassischen Computern einen enormen Zuwachs an Rechnerleistung. Allerdings basieren alle bisherigen Ansätze auf Techniken, die nur mit großem Aufwand wie beispielsweise komplexer Kühltechnik realisierbar sind und noch keine kompakten und hochintegrierten Systeme erlauben. Eine auf sogenannten Festkörper-Spins basierende Architektur, die synthetischen Diamant verwendet, bietet den prinzipiellen Vorteil, dass sie bei Raumtemperatur betrieben werden kann und den Aufbau eines Quantencomputers erlaubt, dessen Prozessor weniger Ansprüche an die umgebende Infrastruktur (zum Beispiel die Kühlung) stellt. 

Einige der klugen Köpfe, die das ergründen, sind die Professoren Jan Meijer und Marius Grundmann. Meijer leitet auch das vom Bundesforschungsministerium seit Mai dieses Jahres mit 4,8 Millionen Euro geförderte Projekt CoGeQ für einen wettbewerbsfähigen deutschen Quantenrechner. An dem Projekt sind außerdem die Universitäten Kassel und Ulm sowie die Firmen CIS aus Erfurt und SaxonQ aus Leipzig beteiligt. 

Zur Pressemitteilung des DLR
 


Pressemitteilung 2022/231 vom

Ellist, Youlaf, Mo und Stewa gehen noch in die Grundschule, aber sie diskutieren bereits mit Wissenschaftler:innen über Klimaforschung, gehen zu Demonstrationen für den Klimaschutz und finden Lösungen für mehr Nachhaltigkeit im Alltag. Die vier Kinder sind die fiktiven Protagonist:innen in der eBook-Reihe „Klima.Leben“, die von Erziehungswissenschaftler:innen der Universität Leipzig entwickelt worden ist. Die Unterrichtsmaterialien für die Klassenstufen 1 bis 4 sollen Grundschulkinder befähigen, Lösungsstrategien für die Klimakrise zu entwickeln und die Zukunft souverän mitzugestalten. Projektleiterin Dr. Brunhild Landwehr erklärt im Interview, wie das Projekt Klimabildung an Grundschulen zum Thema macht und wie man mit Kindern über die Klimakrise spricht, ohne Ängste zu schüren.

Frau Dr. Landwehr, wird Klimaschutz an den Grundschulen in Sachsen ausreichend thematisiert? 

Der Klimawandel hat im sächsischen Lehrplan der Grundschule bislang keinen eigenen Stellenwert. In dem 2009 und 2019 teilweise überarbeiteten Lehrplan für den Sachunterricht ist lediglich angemerkt, dass „Klimawandel“ einbezogen werden soll. Eine inhaltliche Gestaltung oder Ausdifferenzierung wird nicht vorgenommen. Aber: In Sachsen gibt es die Initiative „Klimaschulen“, eine gemeinsame Initiative der Sächsischen Staatsministerien für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft sowie für Kultus. 29 Schulen in Sachsen wurden bisher als Klimaschulen zertifiziert, darunter bisher nur wenige Grundschulen. Das soll sich unter anderem mit dem von uns entwickelten Material in Zukunft ändern.

Kinder, auch schon in der Grundschule, nehmen die Klimakatastrophe wahr, sei es durch Fridays for Future-Demonstrationen, Medien, Elterngespräche. Sie wollen die Zusammenhänge verstehen. Sie sind absolut nicht verantwortlich für die heutige und zukünftige Situation der Erde, müssen aber mit den Konsequenzen leben. Und sie sind in der Zukunft aufgefordert, Lösungsstrategien zu entwickeln, solidarisch, verantwortlich und sozial gerecht allen Ländern und Menschen der Erde gegenüber. Dieses Bildungsziele – Fähigkeit zum Umgang mit Unsicherheiten, Leben in Solidarität, Lösungen in Kooperation – kann und sollte man in jungen Jahren anlegen.

Das von Ihnen entwickelte Unterrichtsmaterial für Grundschüler:innen steht unter dem Motto „Was wir für die Erde tun können“. Welche Möglichkeiten haben denn Kinder, sich für Klima- und Umweltschutz einzusetzen?

Das geht vom Herausfinden von „Energiefressern“ an der Schule mit anschließender Intervention bei Hausmeister und Schulleitung über das Anlegen von Gemüsebeeten im Schulhof bis hin zu Upcycling-Projekten. Wir wollen anregen zur kooperativen Suche, zum Nachdenken darüber, was wir tun können. Das Material liefert dazu Denkanstöße, sagt aber niemals, was die Kinder tun sollen oder gar müssen. 

In den eBooks findet man erfahrbare positive Beispiele: Schmeckt zum Beispiel eine Tomate aus dem eigenen Garten anders als eine aus dem Supermarkt? Es geht uns darum, dass die Kinder das Problem erkennen, dazu liefern wir Handlungsanlässe, Sachtexte, Illustrationen, Kunstdarbietungen, empirische Daten usw. Mit diesem Wissen sollen die Kinder dann gemeinschaftlich diskutieren und herausfinden, was sie tun können und möchten: Schreiben sie einen Brief an entsprechende Institutionen und Behörden? Diskutieren sie mit verantwortlichen Politikern, mit Eltern oder Geschäftsinhabern? Verändern sie eigenes Verhalten und fahren beispielsweise mit dem Fahrrad zur Schule statt mit dem Auto der Eltern?

Die Klimakrise ist für Kinder auch mit Ängsten verbunden. Wie gehen Sie in „Klima.Leben“ damit um und was würden Sie Eltern und Lehrpersonen diesbezüglich raten?

Das leitende Motto des erstellten Materials war: Wir zeichnen keine Horrorszenarien, sondern stellen möglichst viele positive Zukunftsszenarien dar oder fordern die Kinder auf, diese selbst zu erzählen. Wir wollen den jungen Kindern keine Ängste bereiten, sondern sie ihnen nehmen, indem wir aufzeigen, dass ein anderer Umgang mit Ressourcen und Konsum ein „gutes Leben“ bedeuten kann. Dieser Ansatz des „guten Lebens“ wird in erzählten Geschichten, in selbst erfahrbaren Rollenspielen und individuell zu gestaltenden ästhetischen Arbeiten aufgegriffen. Dabei können die Kinder Ängste einander erzählen, Lösungsansätze diskutieren und diese individuell in Handlungsstrategien umsetzen. 

Es geht darum, an positive Emotionen anzuknüpfen, ein Gemeinschaftsgefühl im Sinne von „gemeinsam können wir es schaffen“ zu implementieren. Die Kinder entwickeln selbst Geschichten, in denen sie sie sich eine Zukunft vorstellen, in der sich das Leben auf der Erde regeneriert. Es geht uns um das Ziel, Kreativität zu wecken, Lösungsstrategien zu entwickeln, Positives im Gemeinschaftlichen zu sehen. 

Das bedeutet für Lehrkräfte und Eltern: Den Kindern auf Augenhöhe begegnen, sie in ihren Plänen, Vorstellungen wie Ängsten ernst nehmen und ihnen Partizipationsmöglichkeiten einräumen.

Hintergrundinformationen:

Das Projekt „Klima.Leben“ wurde vom Sächsischen Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft in Auftrag gegeben. Wissenschaftler:innen aus dem Bereich Grundschuldidaktik Sachunterricht an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig entwickelten innerhalb von zwei Jahren vier digitale eBooks, die sich rund um die „Klimakids“ Ellist, Youlaf, Mo und Stewa drehen. Das Material besteht aus je einem digitalen eBook für jede Klassenstufe, in dem Videos, Podcasts, Animationen und Glossare verlinkt sind, einem darauf abgestimmten Forschungsbuch als individuelles Arbeitsbuch für die Lernenden sowie einer Handreichung für Lehrkräfte.

Am Freitag, 9. Dezember 2022, 15 Uhr wird das Unterrichtsmaterial im Rahmen einer feierlichen Auftaktveranstaltung auf dem Campus Jahnallee (Marschnerstr. 31, Haus 3, Raum 025) den Vertreter:innen der Ministerien und allen Interessierten vorgestellt. Medienvertreter:innen sind herzlich willkommen.
Das Unterrichtsmaterial „Klima.Leben“ steht ab dem 9. Dezember 2022 auf www.klima.sachsen.de zum kostenlosen Download zur Verfügung.

 

 


Pressemitteilung 2022/228 vom

Grundlagenforscher:innen der Universität Leipzig haben ein Rätsel in der Evolution von bakteriellen Enzymen gelöst. Durch die Rekonstruktion eines Kandidaten für eine spezielle RNA-Polymerase, wie sie vor etwa zwei Milliarden Jahren existierte, konnten sie eine bislang rätselhafte Eigenschaft der entsprechenden modernen Enzyme erklären. Im Unterschied zu ihren Vorfahren arbeiten sie nicht kontinuierlich und sind dadurch deutlich effektiver - Arbeitspausen als evolutionärer Fortschritt. Die Rekonstruktion des Proteins aus der Vorzeit ist erst durch eine fachübergreifende Zusammenarbeit zwischen molekularer Biochemie und Bioinformatik gelungen. Die Forschungsergebnisse erschienen im renommierten Journal „Molecular Biology and Evolution“.

Bei den untersuchten Enzymen handelt es sich um tRNA-Nukleotidyltransferasen. Enzyme, die an kleine RNAs in der Zelle (sogenannte transfer-RNAs) drei Nukleotid-Bausteine in der Sequenzabfolge C-C-A anheften, damit sie anschließend Aminosäuren für die Proteinsynthese liefern können. Durch Stammbaum-Rekonstruktionen hat ein Forscherteam um Prof. Mario Mörl (Biochemie) und Prof. Sonja Prohaska (Bioinformatik) einen Kandidaten für ein derartiges anzestrales - also auf den Vorfahren zurückgehendes - Enzym rekonstruiert, wie es vor etwa zwei Milliarden Jahren in Bakterien existierte. Das Forscherteam hat die Eigenschaften der rekonstruierten RNA-Polymerase anschließend mit denen eines modernen bakteriellen Enzyms verglichen.

Beide Enzyme arbeiten mit ähnlicher Präzision, weisen aber in ihrer Reaktion deutliche Unterschiede auf. Die Tendenz der modernen Enzyme, ihre Arbeit immer wieder zu unterbrechen, war bislang nicht als evolutionärer Vorteil zu erkennen und für die Biochemie deshalb über Jahrzehnte rätselhaft. Erst im Vergleich mit der Arbeitsweise des rekonstruierten Enzyms konnte das Rätsel jetzt gelöst werden. Das anzestrale Enzym arbeitet prozessiv, also ununterbrochen in einem fort, entfernt dabei aber immer mal wieder bereits korrekt angefügte Nukleotid-Bausteine. Die Ergebnisse zeigen, dass aus Enzym-Rekonstruktionen viel über die Evolution und die Eigenschaften der modernen Enzyme gelernt werden kann und dass viele Fragestellungen nur durch das Zusammenspiel zwischen Bioinformatik und Biochemie in einem Hin und Her zwischen Computerberechnungen und Laborexperimenten gelöst werden können.

An den Verwandtschaftsverhältnissen in die Vergangenheit gehangelt

Anhand von Gen-Sequenzen lassen sich auch von Bakterien evolutionäre Stammbäum erstellen. Ausgehend von der heutigen, breit gefächerten Vielfalt von Organismen in einem Spezies-Baum kann der Evolutionsweg einzelner Gene entlang der Verwandtschaftsverhältnisse und Abzweigungen rekonstruiert und akribisch bis zu einem gemeinsamen Ursprung zurückverfolgt werden.

Die Rekonstruktion geschieht im Wesentlichen in drei Schritten. Zunächst werden Datenbanken nach entsprechenden modernen Enzymen durchsucht, um die Abfolge der Aminosäure-Bausteinen untersuchen zu können. Aus den erhaltenen Sequenzen kann dann zurückgerechnet werden, wie die ursprüngliche Sequenz ausgesehen haben müsste. Die entsprechende Gen-Sequenz, die für das alte Enzym codiert, wird dann in Labor-Bakterien eingebracht, sodass sie das gewünschte Protein bilden. Anschließend kann das Enzym detailliert auf seine Eigenschaften hin untersucht und mit modernen Enzymen verglichen werden. „Als die Nachricht aus dem Labor kam, dass das rekonstruierte Enzym die C-C-A-Addition durchführt, und das sogar in einem breiteren Temperaturbereich als heutige Enzyme, war das der Durchbruch“, erinnert sich Sonja Prohaska.

Evolutionäre Optimierung: Arbeitspausen erhöhen die Effizienz

Wie Organismen, werden auch Enzyme durch Evolution optimiert. Die Arbeit (Katalyse), die ein Enzym verrichtet, läuft dabei in der Regel umso schneller und besser, je stärker es sein Substrat binden kann. Das rekonstruierte anzestrale Enzym macht genau das, es hält das Substrat, die tRNA, fest und hängt die drei C-C-A-Nukleotide nacheinander an, ohne abzusetzen. Moderne tRNA-Nukleotidyltransferasen dagegen arbeiten distributiv, also etappenweise mit Pausen, in denen sie ihr Substrat immer wieder loslassen. Dennoch sind sie effizienter und schneller als ihr anzestraler Vorgänger. Das irritierte die Forschenden. Wieso fallen die modernen Enzyme immer wieder von ihrem Substrat ab? Die Erklärung ist im Phänomen der Rückreaktion zu finden, bei der die eingebauten Nukleotide vom Enzym wieder entfernt werden. Während die starke Bindung des anzestralen Enzyms an das Substrat ein nachträgliches Entfernen zur Folge hat, wird die Rückreaktion bei modernen Enzymen durch das Loslassen des Substrates fast gänzlich verhindert. Dadurch können sie effizienter arbeiten als ihre Vorgänger.

„Wir konnten jetzt endlich erklären, warum die modernen tRNA-Nukleotidyltransferasen trotz distributiver Arbeitsweise so effizient arbeiten“, so Mario Mörl. „Die Erkenntnis hat uns im Team völlig überrascht. Wir haben so etwas nicht erwartet. Die Frage hatten wir schon vor 20 Jahren und können sie jetzt endlich mit den Rekonstruktionsmethoden der Bioinformatik beantworten. Diese enge Zusammenarbeit zwischen Bioinformatik und Biochemie besteht in Leipzig schon seit mehreren Jahren und hat sich nicht zum ersten Mal für beide Seiten als großer Vorteil erwiesen.“

Originaltitel der Veröffentlichung in „Molecular Biology and Evolution“:

"Substrate affinity versus catalytic efficiency: Ancestral sequence reconstruction of tRNA nucleotidyltransferases solves an enzyme puzzle", doi.org/10.1093/molbev/msac250

 

 

PM Abel

Pressemitteilung 2022/235 vom

Technisch wäre es für zukünftige Weltraummissionen möglich, DNA, Lipide und andere bakterielle Bestandteile auf Eismonden mit einem Ozean unter dem Eis in unserem Sonnensystem nachzuweisen – vorausgesetzt, diese Bausteine des Lebens existieren jenseits der Erde. Zu diesem Ergebnis ist jetzt ein internationales Team von Wissenschaftler:innen unter Beteiligung der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Bernd Abel vom Institut für Technische Chemie der Universität Leipzig gekommen. Die experimentelle Studie wurde unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und kürzlich in der Fachzeitschrift Astrobiology veröffentlicht.

Der Saturnmond Enceladus ist bekannt für die kryovulkanischen „Geysire“, die Gas und Material in den Weltraum abgeben. Diese Emissionen bestehen größtenteils aus winzigen Eiskörnern, die aus einem „Wassermeer“ stammen, das sich tief unter der gefrorenen Oberfläche des Mondes befindet. Ähnliche Prozesse spielen sich vermutlich auch auf dem Jupitermond Europa ab.

Raumsonden können diese Eiskörner mit Massenspektrometern analysieren und Einblicke in die Zusammensetzung des unterirdischen Ozeanwassers geben. In neuartigen Laborexperimenten ist es den Wissenschaftler:innen erstmals gelungen, das Auftreten von Bausteinen von Bakterien in Massenspektren von Eiskörnern zu simulieren. „In unseren Experimenten zeigen wir, dass zukünftige Raumfahrzeuge über die Technologie verfügen würden, um DNA, Lipide und sogar metabolische Zwischenprodukte dieser Bakterien nachweisen zu können, sofern solche Moleküle in den emittierten Eiskörnern vorhanden sind“, erklärt Professor Abel, einer der Hauptautoren der Studie. „Das wäre selbst dann möglich, wenn die Biomoleküle in nur wenigen Eiskörnern in sehr geringen Konzentrationen vorhanden wären.“

Die Wissenschaftler:innen analysierten im Rahmen ihrer Studie zwei verschiedene Bakterienarten und stellten fest, dass sich einige der untersuchten Biomoleküle deutlich voneinander unterschieden und je nach Bakterienart unterschiedliche biologische „Fingerabdrücke“ in den Massenspektren hinterließen. „Dadurch können wir nicht nur bakterielle Bestandteile auf außerirdischen Meereswelten identifizieren, sondern auch verschiedene Bakterienarten voneinander unterscheiden“, betont Professor Abel.

Die Ergebnisse dieser Studie kommen rechtzeitig vor dem Start der Mission Europa Clipper zum Jupitermond Europa, den die NASA im Oktober 2024 plant. Die Raumsonde soll auf ihrer Mission ein Impakt-Ionisations-Massenspektrometer mitführen, an dessen Planung die Autoren der aktuellen Studie maßgeblich beteiligt waren. Sie sollen auch später die von diesem Gerät produzierten Daten auswerten. „Nachdem nun bestätigt wurde, dass die Technologie in der Lage ist, die Bausteine des Lebens zu erkennen, haben die Ergebnisse der Mission das Potenzial, sehr interessant und relevant zu sein“, erklärt Abel.

Die internationale Studie wurde in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen der Universität Zürich, der Open University in Milton Keynes, des Jet Propulsion Laboratory der NASA in Kalifornien, der Freien Universität Berlin und der Universität Leipzig durchgeführt.

Originaltitel der Veröffentlichung in Astrobiology:

"Toward Detecting Biosignatures of DNA, Lipids, and Metabolic Intermediates from Bacteria in Ice Grains Emitted by Enceladus and Europa",  doi.org/10.1089/ast.2022.0063

 


"Die schönste Art, mit- und voneinander zu lernen"

Das zentrale Mentoringprogramm „Inspiration – Qualifizierung – Vernetzung“ der Universität Leipzig wurde am Dies academicus 2022 mit dem Hauptpreis für besonderes Engagement im Transfer seitens der Universitätsgesellschaft gewürdigt. Im Interview berichten die aktuellen Projektleiterinnen Christin Kieling und Susanne Benko von ihren Erfahrungen bei der Initiierung und Umsetzung des Programms, an dem mittlerweile schon 225 Tandems teilgenommen haben.

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Team „Im Namen des Volkes” mit Preis ausgezeichnet

Für ihre interdisziplinäre Tagung „Im Namen des Volkes – Zur Kritik politischer Repräsentation“ wurden vier Studierende der Rechtswissenschaft und weiterer Studiengänge von der Universitätsgesellschaft mit dem Hauptpreis für besonderes Engagement in der Kategorie „Studium“ ausgezeichnet.

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Jetzt für das t.e.a.m.-Programm bewerben

Noch bis zum 5. Februar 2023 sind Bewerbungen für das t.e.a.m.-Programm möglich. Es bietet Studentinnen, Promovendinnen, Postdoktorandinnen, Habilitandinnen und Juniorprofessorinnen in verschiedenen Programmlinien ein abgestimmtes Mentoring, Workshops und Vernetzungsmöglichkeiten.

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Prorektor Middell zu Ukraine-Initiativen: Beeindruckende Vielfalt, herausforderndes 2023

Der Angriff Russlands auf die Ukraine und seine Auswirkungen haben auch an der Universität Leipzig das Jahr 2022 geprägt. Im Interview mit dem Universitätsmagazin zieht Prof. Dr. Matthias Middell, Prorektor für Campusentwicklung: Kooperation und Internationalisierung, eine Zwischenbilanz und blickt auf 2023 voraus.

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Weihnachtskarte der Universität ab sofort erhältlich

Ab sofort kann die Weihnachtskarte unserer Universität im Kreller Onlineshop bestellt werden. Der Kalender wurde von der Stabsstelle Universitätskommunikation gestaltet und beinhaltet auch einen Kalender für 2023.

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Informationen zum Auslaufen des WebVPN

Zum 1. Januar 2023 wird der Zugang zum Uni-Netz per WebVPN eingestellt. Das Universitätsrechenzentrum hat auf seiner Seite alle wichtigen Informationen hierzu zusammengestellt und erklärt, wie und warum Mitarbeitende und Studierende nun einen vollwertigen VPN-Zugang (z.B. mit der VPN-Software Anyconnect von Cisco) nutzen sollten.

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Phishing-E-Mails: Digitale Selbstverteidigung in der Vorweihnachtszeit

In der (Vor-)Weihnachtszeit wird viel geshoppt, viel im Internet bestellt, viel geschenkt. Spendenaktionen finden statt, zum Beispiel auch per Email. Auch Kriminelle nutzen die Zeit, um gefährliche Nachrichten zu verbreiten. Wie können Sie gefälschte E-Mails erkennen, die Ihre Daten abgreifen wollen?

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Aus dem Senat: Nachhaltigkeitskommission und -manager kommen – Tag der Lehre am 14. Juni 2023

Die Dezembersitzung des Senats wurde vom Thema Nachhaltigkeit bestimmt. Zudem beschloss das Gremium, dass der nächste Tag der Lehre am 14. Juni 2023 stattfinden wird und an dem Programm teilnehmende Studierende und Lehrkräfte unter Umständen von der Lehrpflicht befreit werden.

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Seit 1. Dezember 2022: Neue Schwerbehindertenvertretung

Die Universität Leipzig hat seit dem 1. Dezember 2022 eine neu gewählte Schwerbehindertenvertretung (SBV). Schwerbehindertenvertrauensfrau ist Carolin Werner, seit Januar 2000 Fremdsprachensekretärin in der Stabsstelle Internationales. Unterstützt wird sie von sechs Stellvertreter:innen.

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In dieser Rubrik stellen wir Ihnen eine Auswahl an online frei verfügbaren Medienbeiträgen vor, in denen Angehörige der Universität mit ihrer Expertise zu Wort kommen.

Nobelpreisträger Svante Pääbo: Forschung zwischen Steinzeitgenetik und Neandertaler-Lifestyle (MDR Wissen)

Mit diesem Urteil ebnet Karlsruhe den Weg für neue EU-Schuldentöpfe (Die Welt Online)

UN-Konferenz zur Biodiversität: Subventionen für Naturzerstörung (taz Online)

Gemütliches Abendessen statt Party: Wie Firmen nach Corona Weihnachten feiern (Tagesspiegel Online)

Alle Medienbeiträge mit Bezug zur Universität Leipzig finden Sie im Medienspiegel.

Zum Medienspiegel 

breiter Teaser: diese Überschrift ist nur im Backend zu sehen (Wie sieht ein optimaler Newsletter aus? ...

Pressemitteilung 2022/234 vom

Nach der pandemiebedingten zweijährigen Pause lassen es die Naturwissenschaftler:innen der Universität bei ihren beliebten Weihnachtsvorlesungen in diesem Jahr wieder richtig krachen. Los geht es am 15. Dezember um 9:15 Uhr im großen Hörsaal der Physik in der Linnéstraße 5 mit der Vorlesung „Physik an der Kette“. Einen Tag später startet um 15:00 Uhr im Experimentalhörsaal der Fakultät für Chemie und Mineralogie in der Johannisallee 29 die erste von insgesamt fünf Weihnachtsvorlesungen der Chemiker:innen. Weitere finden jeweils am 19. und 20. Dezember statt.

Bei den Physiker:innen kommt es im Großen Hörsaal zu einer Verkettung zahlreicher Experimente. Auf den ersten Blick nicht offensichtliche Gesetzmäßigkeiten hängender, fallender und schwingender Ketten werden ebenso aneinandergereiht, wie überraschende Effekte an gestoßenen, schwebenden und stromdurchflossenen Ketten. „Freunde unkonventioneller Weihnachtsbeleuchtung werden auf ihre Kosten kommen, aber auch jene Besucher, die noch Tipps für stromsparende Festtagsbeleuchtung suchen - alles natürlich mit einem physikalischen Augenzwinkern“, sagt Experimentalphysiker Prof. Dr. Marius Grundmann, der die Vorlesung gemeinsam mit seinen Wichteln Friederike Pielenz und Axel Märcker halten wird. Das Programm spricht Schüler.innen, Studierende und physikalisch Interessierte auf populärwissenschaftliche Art gleichermaßen an. Die Besucher:innen der Veranstaltung dürfen sich darauf freuen, zu Beginn der Jahresend-Show von Mitgliedern des Blaswerks, dem studentischen Blas- und Jazzorchester an der Universität Leipzig, musikalisch auf die Weihnachtszeit eingestimmt zu werden. 

Nach zweijähriger Pause und einer einmaligen „Mainachtsvorlesung“ im Frühjahr 2022 findet die Experimentalvorlesung der Fakultät für Chemie und Mineralogie wieder wie gewohnt zum Ende des Jahres statt. Von den beteiligten Chemiker:innen wird bereits seit 68 Jahren ein mit lauten, rauchenden, und leuchtenden Experimenten untermaltes Schauspiel dargeboten, das nicht nur Student:innen und Mitarbeiter:innen der Fakultät für Chemie und Mineralogie, sondern auch Leipziger:innen in den Arthur-Hantzsch-Hörsaal zieht. Eingeleitet wird das Spektakel durch ein gemeinschaftliches Singen von ausgewählten Weihnachtsliedern mit Unterstützung des Blaswerks der Universität Leipzig. Anschließend gibt es eine kurze wissenschaftliche Einführung durch Professoren der Chemiefakultät, in der zum Teil spannende und interessante Kuriositäten aus der Welt der Chemie und des Studiums aufgegriffen werden. Prof. Dr. Norbert Sträter verrät bereits, dass sein einleitender Teil unter dem Motto „Der alternative Studierfähigkeitstest“ steht. Über das Thema des darauffolgenden Theaterstücks wird traditionsgemäß keine Auskunft gegeben. "Bis zur ersten Aufführung bleibt dieses ein Geheimnis“, sagt Jannik Sälker, einer der Verantworlichen. Das Schauspiel dauert etwa zwei Stunden und endet in einem grandiosen Feuerwerk, um die anstehenden Festtage einzuleiten.

Bei Physiker:innen und Chemiker:innen ist das Sitzplatzangebot begrenzt. Der Einlass kann daher nicht garantiert werden. Zeitiges Kommen sichert gute Plätze. Eine Anmeldung ist nicht nötig.

 



Dies ist der letzte Newsletter des Jahres 2022. Die nächste Ausgabe erscheint am 10. Januar 2023. Wir wünschen allen Mitarbeitenden der Universität Leipzig ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Ihr Team der Stabsstelle Universitätskommunikation


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