Steckbrief
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Länge des Aufenthalts
01.09.2022 – 30.01.2023 -
Lehrsprache
Englisch -
Studienrichtung
Natur- und Geowissenschaften -
Studiengang, Studienabschluss
Biochemie M. Sc., Master of Science -
Förderprogramm
Erasmus+ -
War Ihr Studium im Ausland freiwillig oder obligatorisch in Ihrem Studium vorgeschrieben?
Freiwillig -
Haben sich Ihre Erwartungen an das Studium im Ausland erfüllt?
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E-Mail-Adresse
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veröffentlicht am
Vor dem Studium im Ausland
Die Möglichkeit, über das Erasmus+ Programm Auslandserfahrungen zu machen, war für mich eine einfache und komfortable Gelegenheit, aus meiner eigenen Komfortzone herauszukommen und meine persönliche Entwicklung zu fördern. Zusätzlich werden in den Naturwissenschaften Auslandserfahrungen als obligate Softskills für einen erfolgreichen Werdegang angesehen, was mir sehr entgegenkam.
Durch die Wahl von Latein als zweite Fremdsprache in der Schulzeit war es mir ein Anliegen, Spanisch als gesprochene dritte Sprache zu erlernen. Das Erlernen von Sprachen fällt mir grundsätzlich eher schwer, deshalb empfand ich die Kombination mit dem fachlichen Auslandsaufenthalt als willkommene und effektive Ergänzung zu reinem Sprachunterricht.
Für Spanien wurden von meiner Fakultät (Lebenswissenschaften) die Standorte Barcelona und Madrid angeboten. Das Studien- und Forschungsangebot der Universidad Autónoma de Madrid (UAM) passte besser in mein wissenschaftliches Interesse. Da ich bisher nur in kleineren Städten gelebt habe, bot sich mir nebenbei die Möglichkeit herauszufinden, ob mir das alltägliche Leben in einer so großen Metropole und Hauptstadt zusagt. Zusätzlich wirkte die touristisch überlaufendere Stadt Barcelona auf mich weniger reizvoll.
Daher habe ich mich zuletzt entschieden, das Wintersemester in Madrid zu verbringen, nicht zuletzt auch, um dem mitteleuropäischen grauen Wetter zu entkommen.
Insgesamt habe ich geplant, meine regulären Studieninhalte für das dritte Semester des Masters Biochemie vollständig in Spanien umzusetzen, wozu ein Praktikum in einer Forschungsgruppe und Module im Wert von 10 ECTS gehörten.
Zwar waren meine finanziellen Rücklagen zu Beginn des Aufenthalts gering, aber ich konnte mit einem soliden Auslandsbafög, dem Erasmus-Zuschuss und ein wenig Unterstützung meiner Familie rechnen. Die bürokratische Organisation habe ich zu Beginn des vorherigen Sommersemesters begonnen und peau á peau durchgeführt. Es ist eine gute Entscheidung, sich möglichst früh mit der Planung auseinanderzusetzen, da insbesondere seitens meiner Gasthochschule gewisse Deadlines mitte Frühling einzuhalten waren und so mancher Email-Verkehr einige Tage in Anspruch nimmt. Manche Apsekte der Organisation waren eher schwer zu finden oder zu verstehen, aber schlussendlich hatte ich alles nach meinen Wünschen organisieren können.
Die Forschungsgruppe meiner Wahl hatte ich über das Internet gefunden, mich dort direkt per Email beworben und anschließend der Universität meine Wahl mitgeteilt. Hier galt es lediglich drauf zu achten, dass der Professor der Forschungsgruppe auch eine Lehrstelle an der UAM hat, da manche Forschungseinrichtungen nur teilweise zur Universität gehören. Über dieses wird man allerdings auch seitens der Universität im vorne herein informiert.
Auch in Madrid ist der Immobilienmarkt ziemlich überlaufen und zusätzlich werden (ausländische) Studierende in relativ großem Stil bei der Wohnungssuche von Vermietern betrogen, was auch in unserem Semester einigen passiert ist. Die UAM versorgt einen zu Beginn großzügig mit Informationen und weist darauf ebenfalls hin. Für ein Zimmer in Madrid zahlt man 400 bis 600 €, abhängig vom Stadtteil. Sicher fährt man mit den Studentenunterkünften der UAM, die allerdings mit 600 €+, teilweise geteilten Zimmern und der Lage auf dem Campus außerhalb der Stadt relativ teuer sind. Außerdem gibt es Agenturen wie Studapart, für die man eine Gebühr und höhere Mieten zahlt, jedoch abgesichert gegen Betrug ist. Für letzteres hatte ich mich entschieden, somit bereits im Juni ein ziemlich teures Zimmer in einer WG, dafür aber in adäquater Lage und ohne Risiko erhalten.
In Spanien ist es Usus, dass die Vermieter die Mitbewohner einer WG auswählen. Wer sich seine Mitbewohner aussuchen möchte, kann sich in diversen Facebookgruppen bei der Wohnungssuche bemühen, allerdings ist auch hier das Angebot eher überschaubar. Es lohnt sich in allen Fällen, frühzeitig mit der Suche zu beginnen. Auf Immobilienapps wie Idealista finden gibt es leider viele Betrüger.
Die UAM weist während des Einschreibeprozesses darauf hin, dass die Kontrolle der sprachlichen Qualifikation in der Verantwortung des Bewerbers liegt. Tatsächlich werden in den Naturwissenschaften nur wenige Module in Englisch angeboten, davon meist nur die Module der Masterstudiengänge. Auch hier gehört Glück dazu, englischsprachige Module zu erhalten. Viele meiner Mitstudierenden hatten letztlich Module in Spanisch belegt, ohne selbst Spanisch zu sprechen, was eine zusätzliche, aber für sie machbare Herausforderung darstellte. Ich persönlich hatte Glück und konnte meine Module und mein Praktikum in Englisch absolvieren.
Ich hatte ein paar Jahre zuvor einen semesterbegleitenden Spanischkurs an meiner damaligen Universität belegt. Selbiges habe ich das Semester vor Abreise gemacht, um wenigstens mit dem Sprachniveau von nahezu A2 meinen Aufenthalt zu beginnen.
Für das Semester in Madrid hatte ich den Plan gefasst, ebenfalls einen Sprachkurs an der Universität zu belegen. Die Plätze hierfür werden nach dem Windhundprinzip vergeben, ich hatte jedoch Glück und einen Platz in meinem Niveau erhalten.
An dieser Stelle sei gesgt, dass in Madrid trotz der Stellung als Hauptstadt generell wenig Englisch gesprochen wird, auch an der Universität nicht. Dies hatte mich ein wenig überrascht, generell geben sich die Spanier aber Mühe, einen trotz aller Sprachbarrieren zu verstehen. In den touristischen Orten Spaniens wird in allen Fällen deutlich mehr Englisch gesprochen, wie ich bei meinen Reisen festgestellt hatte.
Während des Studiums im Ausland
Das Semester hat sich letztlich als arbeitsintensiver als gedacht erwiesen. Durch die Kombination des Laborpraktikums in Vollzeit, den Sprachkurs, ein weiteres Universitätsmodul sowie jeweils insgesamt zwei Stunden Pendelzeit im öffentlichen Nahverkehr pro Tag waren meine Tage insbesondere gegen Ende des Semesters SEHR lang, in der Regel zwölf Stunden.
Mein Praktikum hat mir gut gefallen, die Leute in unserem kleinen Team waren sehr nett und alle waren per du. Da meine Betreuerin einige Jahre zuvor ebenfalls ein Erasmus-Semester an der UAM gemacht hat und dann für ihre Promotion von Litauen nach Madrid gezogen ist, um in gleichen Labor zu arbeiten, hatte ich direkt einen Ansprechpartner und konnte sehr von ihren Erfahrungen profitieren.
Während mir der Sprachkurs auch gut gefallen hat, war ich relativ froh, nur noch ein weiteres Universitätsmodul belegt zu haben, da der Unterricht sehr verschult war und aus meiner Sicht effizienter hätte sein können.
Ich hatte abschließend festgestellt, dass durch die langen Wege zur Universität viel Zeit verloren geht und mich die übervollen Transportmittel deutlich stressen, wodurch ich diesen Aspekt für die Wahl meiner nächsten beruflichen Abschnitte unbedingt berücksichtigen werde.
Wie schon erwähnt wohnte ich in einer Wohngemeinschaft mit drei weiteren ausländischen Studierenden aus Amerika, Italien und Mexico, die zufällig von der Vermieterin ausgewählt wurde. Die zentrale Lage in der Nähe des Hauptbahnhofs hat sich als wirklich praktisch herausgestellt, allerdings gab es in unserer Wohnung keinerlei Raum für soziale Treffen, wodurch wir über den Status einer herzlichen und rücksichtsvollen Zweck-WG leider nicht wirklich hinausgekommen sind.
Da sich das Leben in Spanien überwiegend in der Öffentlichkeit abspielt, sind viele Wohnungen eher klein, zusätzlich erlauben viele Vermieter keine Gäste (worüber wir uns aber einvernehmlich hinweggesetzt hatten).
Obwohl ich selber tendenziell eher ein häuslicher Mensch bin, würde ich jedem empfehlen, für die beste Erfahrung die Lage der Wohnung unbedingt zu präferieren, insbesondere da zwischen 01:30 und 5 Uhr keine Metrozüge fahren und sich der Glanz der Stadt in den Randbezirken relativ stark verliert.
Tolle Stadtteile der Innenstadt für Studierende sind Malasaña, La Latina und etwas rustikaler Lavapiés, wogegen die Innenstadteile Centro und Chueca sehr überlaufen sind. Wer es etwas ruhiger mag, zieht in die zentralen Wohngebiete Chamberí oder Salamanca, welche aber auch recht teuer sind. Ich war in Atocha ebenfalls sehr zufrieden. Was man bei der Wohnungssuche berücksichtigen sollte, habe ich weiter oben beschrieben.
Meine finanzielle Situation war durch Auslandsbafög und den Erasmus-Zuschuss gut, die Bilanz meiner Ausgaben hat sich gegenüber dem Leben in Leipzig nicht wesentlich verändert. Insgesamt geht man in Madrid öfters auswärts Essen oder in Bars, allerdings hatte ich hierfür höhere Ausgaben eingeplant, als letztlich entstanden sind.
Laufende Fixkosten sind 400-700 € für ein gutes Zimmer und 10-35 € für das monatliche Nahverkehrsticket in Madrid (mit personalisierter "Tarjeta transporte público"), alle restlichen Preise sind ähnlich zu Deutschland.
Ich benötigte etwas Zeit, mich daran zu gewöhnen, mich nicht in jeder Alltagssituation fließend verständigen zu können. Allerdings war der Prozess des Sprachenlernens in den folgenden Monaten mit einer ständigen Verbesserung spürbar, was ein tolles und motivierendes Erlebnis war.
Obwohl ich wochentags im Studium sehr eingebunden war, habe ich die Wochenenden genutzt, die Stadt und das Umland zu entdecken. Viele Ziele sind gut mit dem Nah- und Fernverkehr gut erreichbar und auch zahlreiche Nationalparks sind nicht weit entfernt, wenn man dem Stress der Stadt entkommen möchte.
Auch werden über das Semester hinweg viele Aktivitäten mit anderen Erasmus-Studierenden dieser und anderer Universitäten angeboten, die sich sehr gut dafür eignen, andere Leute kennenzulernen.
Durch den zeitlichen Versatz des spanischen Semesters (endet Ende Januar) mit dem deutschen Semester konnte ich meinen Aufenthalt bis Ende Februar verlängern und Urlaub in Andalusien und Madrid genießen.
Je nach finanzieller Situation empfehle ich jedem, diese Möglichkeit zu nutzen, da die populären Urlaubsgebiete speziell in Südspanien im Winter nicht so überlaufen sind und die Temperaturen nicht zu heiß werden.
Nach dem Studium im Ausland
Ich habe mir alle erbrachten Leistungen in Leipzig anerkennen lassen. Der Erasmus-Koordinator der Lebenswissenschaften war eine zuverlässige Ansprechperson und die Anerkennung der Leistungen somit unkompliziert möglich. Viele Hürden lassen sich über eine zeitnahe Kommunikation mit allen verantwortlichen Personen schon im Vorfeld bereinigen.
Durch meinen Urlaub am Ende des Semesters hatte ich einen guten Übergang zwischen Auslandssemester und dem Ankommen in der Heimat. Zuvor schon hatte ich einige universitäre Ziele und freizeitliche Aktivitäten in Leipzig geplant, auf die ich mich bereits vor Abreise gefreut hatte, darunter den nahtlosen Beginn meiner Masterarbeit und somit die letzte Phase des Studiums. Durch die Untervermietung meines WG-Zimmers während meines Aufenthalts hatte ich zusätzlich keinerlei Stress mit der Wohnungssuchen oder einem Umzug.
Allerdings war ich zum Ende des Semesters durchaus auch nicht abgeneigt, noch weiter in Madrid zu bleiben, zumal ich mich erst kürzlich zuvor richtig angekommen fühlte. Das Wegfallen des täglichen Sprachenlernens, das ruhigere öffentliche Leben und die geringere Anzahl an Sonnenstunden haben mich in Leipzig manchmal ein bisschen wehmütig an Madrid denken lassen, was aber durch die Aussicht auf ein tolles kommendes Jahr abgemildert wurde.
Ich empfehle jedem, sich rechtzeitig zu überlegen, ob er nicht ein ganzes Jahr im Ausland bleiben möchte und die Zukunftsplanung dahingehend zu gestalten. Es wird sich nach meiner Erfahrung definitiv lohnen, und das Erasmus-Programm bietet eine gute Flexibilität, sich auch noch spontan entscheiden zu können.
Man hat wirklich nichts zu verlieren und der Erfahrungsgewinn ist enorm. Auch für die eigene Persönlichkeit kann es hilfreich sein, das eigene, bisherige Leben mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Ich freue mich schon auf meinen nächsten Lebensabschnitt im Ausland, wo auch immer dies sein wird!