Es klappt. Es läuft. Es funktioniert. Der Studiengang, den das Frankreich-Zentrum der Universität Leipzig über die Grenzen von Fakultäten und Instituten hinweg koordiniert, ist Semester für Semester voll belegt. Obwohl die Bewerber ein Eignungsgespräch bewältigen müssen. Und das obwohl die Studenten sicheres Französisch mitbringen müssen. Obwohl? Weil! Ein klarer Beweggrund, der vor Eintritt in den Studiengang dargelegt werden muss, und fundierte Sprachkenntnisse erlauben das Studium im Nebenfach "Frankreichstudien" dort zu beginnen, wo manch andere universitäre Ausbildung schon wieder endet: Bei der Frage nach dem Sinn und Zweck jenseits von Seminararbeiten und Prüfungsscheinen.
Genau vor dieser Frage stand auch das Frankreich-Zentrum mit seiner Gründung 1994: Zum einen verlor die primär philologische Ausbildung angesichts eines schrumpfenden Arbeitsmarktes für Lehrer an Boden - aus Sicht der französischen Kulturpolitik schmälerte dies die Rolle, die der deutschen Romanistik in der Vermittlung zwischen beiden Ländern zukommt. Zum anderen hatte sich die bilaterale Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland in ein so enges nachbarschaftliches Verhältnis gewandelt, dass an die Stelle einer nach Sachthemen geordneten Zweigleisigkeit sich ein Netz verschiedenster Kooperationen auf unterschiedlichsten Ebenen entfaltete. Beide Entwicklungen forderten die Romanistik deutschlandweit heraus, ihr Selbstverständnis und ihr Studienangebot nicht allein zu prüfen, sondern auch zu ändern. Das Frankreich-Zentrum an der Universität Leipzig antwortete auf die Situation mit den "Frankreichstudien", einem interdisziplinären Studiengang im Magister-Nebenfach.
Der geht inzwischen mit jährlich rund 30 neuen Studenten in sein 16. Semester. Über die Grenzen der Einzeldisziplinen hinweg werden Politik-, Kultur-, Wirtschafts-, Medien-, Theater- und Rechtswissenschaften, Geschichte, Soziologie und Theologie gebündelt - die Sprach- und Literaturwissenschaften sind neben die anderen Fächer getreten. Das Frankreich-Zentrum, das unter dem Dach des fachübergreifenden Zentrums für Höhere Studien (ZHS) der Universität Leipzig angesiedelt ist, koordiniert die Vielfalt zu einem interdisziplinären Konzept. Parallel sichern die Fakultäten die prüfungsrechtliche und die Institute die inhaltliche Qualität des Studiums.
In der Summe der Blickfelder und Blickweisen und gepaart mit einem obligatorischen Auslandssemester vermittelt der Studiengang interkulturelle Kompetenzen - und dies sowohl im Kontext des europäischen Nachbarn als auch der frankophonen Länder von Kanada bis Kamerun. Gerade diesen Aspekt möchte Prof. Klaus Bochmann, seit Gründung 1994 Direktor des Frankreich-Zentrums und Inhaber des Lehrstuhls für romanische Sprachwissenschaft an der Universität Leipzig, künftig stärken. Schließlich reicht die französische Welt, die französische Kultur und Sprache über Atlantik und Mittelmeer hinaus. Und gerade mit der Erforschung der Frankophonie in den Entwicklungsländern dehnen sich die Frankreichstudien immer sichtbarer über das deutsch-französische Terrain aus.
Inzwischen ist deutlich geworden: Als erster von einem interdisziplinären Zentrum organisierter Studiengang verkörpern die Leipziger Frankreichstudien einen Ansatz, der für ausgewählte neue Masterstudiengänge wie "Global Studies" als Raster dienen kann, weil Multidisziplinarität zu Interdisziplinarität gerinnen kann. "Dort, wo mehr als zwei Institute beteiligt sind, weist dieses Modell gegenüber bilateralen Vereinbarungen zwischen den Einrichtungen in die Zukunft", ist PD Dr. Matthias Middell, Historiker aus dem Vorstand des Frankreich-Zentrums, überzeugt. Zumal sowohl bei Studenten als auch bei Dozenten "eine große Bereitschaft" anzutreffen sei, sich "auf dieses Experiment einzulassen": Die einen vertrauen der Empfehlung aus den Eignungsgesprächen; die anderen erleben ein "sehr interessiertes studentisches Publikum", wie Prof. Klaus Bochmann anmerkt. "Ich bin immer wieder überrascht, mit welchem Interesse und welcher Kompetenz sich die Studenten hier einarbeiten", berichtet der Romanist stellvertretend für seine Kollegen.
Aktuell steht das Frankreich-Zentrum vor der Aufgabe, den als Magister-Nebenfach anerkannten Studiengang in die neuen Strukturen von Bachelor und Master zu übertragen. Noch lässt sich nicht sagen, ob der Weg zum eigenständigen Master oder zur vertiefenden Komponente innerhalb eines Masters der Kultur- oder Sozialwissenschaften führen wird. Sobald die Planungen in den Fakultäten und Instituten abgeschlossen sind, lassen sich auch die Möglichkeiten der Zusammenarbeit, die durch die Modularisierung eigentlich vereinfacht wird, genauer absehen. Auch die Deutsch-Französische Hochschule (DFH), die Doppelabschlüsse in beiden Ländern vergibt und sich mehr und mehr zu trilateralen europäischen Netzwerken öffnet, beeinflusst mit ihrer Förderpolitik künftige Entscheidungen. Leipzig kann gemeinsam mit Lyon auf gute Erfahrungen mit den integrierten Studiengängen in den Wirtschaftswissenschaften und für das Lehramt zurückgreifen.
Die Zukunft sieht der Vorstand des Frankreich-Zentrums, der eine eigenständige Lösung ebenso unterstützt wie die Integration in transnational orientierte Studiengänge der Kultur- oder Sozialwissenschaften, mit einem lachenden und einem weinenden Auge: "Das Label 'Frankreichstudien' zu verlieren wäre schade. Aber die Frankreichstudien in neue akademische Zusammenhänge zu stellen, hätte auch seine Vorteile." So oder so - die Entscheidung wird im nächsten Semester fallen.