"Genau das darf nicht passieren", sagt Marlies Friedrich, Pflegedienstdirektorin am Universitätsklinikum. "Der Patient ist in seiner Ganzheitlichkeit zu betrachten... Dabei kommt der Kommunikation mit dem Patienten... eine besondere Bedeutung zu." Nachzulesen in der Pflegephilosophie des Universitätsklinikums Leipzig. Schwestern und Pfleger dürfen auch im meistens stressigen Alltag nicht vergessen, dass sie es mit Menschen zu tun haben, mit ihren ganz persönlichen Sorgen und Nöten, die bei Kranken besonderes Gewicht erhalten.
Die Schwester ist die Bezugsperson für den Patienten. Mit ihr hat er im Krankenhaus am häufigsten zu tun, ihr vertraut er Dinge an, die er dem Arzt manchmal verschweigt. Schwerkranke Patienten stellen ihr oft Fragen, deren Beantwortung einiges Fingerspitzengefühl verlangt. Damit die Krankenschwester solchen Situationen gewachsen ist, gehören zu ihrer Ausbildung auch psychologische Aspekte der Krankenbetreuung.
Aufgefrischt und vertieft werden diese Kenntnisse nun auch in den Fortbildungsveranstaltungen für medizinisches Personal am Universitätsklinikum Leipzig. Die Fortbildungsveranstaltungen dienen einerseits der Vermittlung neuester medizinischer und medizintechnischer Erkenntnisse, deren Kenntnis für eine qualitativ hochwertige Pflege unumgänglich sind. Andererseits werden in den Fortbildungsveranstaltungen ethische und psychische Aspekte der Patientenbetreuung behandelt, mit denen die Schwestern schwierige Situationen im Umgang mit den Patienten besser meistern können. Die Pflegedienstdirektorin dazu: Fortbildungen... bieten eine bedeutende Orientierungshilfe zur Bewältigung von immer komplexer werdenden Pflegesituationen und dienen natürlich auch der Reaktivierung von medizinischen Lerninhalten, welche in täglicher Routine verloren gehen können."
Mit der Veranstaltung zum Thema "Emotionale Betreuung von schwerkranken Patienten - ethische und psychologische Aspekte" wurde jetzt die 2. Staffel der Fortbildung für medizinisches Personal abgeschlossen. Ausgehend von der Situation des schwerkranken Patienten im Krankenhaus wurde das Problem der emotionalen Betreuung durch das Pflegepersonal erörtert. Von ihm wird ein Ausgleich zu Anonymität und Schnellebigkeit der Station erwartet. Sie muss zuhören und trösten können, Anzeichen von Angst und Depression erkennnen und dafür sorgen, dass es nicht zu Mißverständnisssen und zusätzlichen Beunruhigungen kommt bzw., dass diese ausgeräumt werden.
Angesichts von schwierigen Gesprächsthemen und Fragen, mit denen eine Schwester bei Schwerkranken oft konfrontiert wird, ist es hilfreich, wenn sie weiß, wie Sie damit umgehen kann. Bin ich unheilbar krank oder habe ich noch eine Chance? Ich quäle mich doch nur noch. Warum bekomme ich nicht etwas zum Sterben wie in Holland? Wie geht es Frau M., Sie haben sie doch gestern in ein Einzelzimmer verlegt? Haben Sie mich schon aufgegeben?
Nicht immer kann die Schwester an den Arzt verweisen, obwohl nicht sie, sondern nur er Aufklärung über die Krankheit geben darf. Die Psychologin Dr. Christina Schröder von der Selbständigen Abteilung für Medizinische Psychologie und Soziologie der Universität Leipzig, die den Vortrag hielt, empfahl das Konzept einer bekannten Psychotherapeutin mit einer Gegenfrage zu antworten: Was denken Sie, wie krank sind Sie? Für wie krank halten Sie sich?
Ob das immer möglich ist, ist zu bezweifeln. Die Methode wird es wohl nicht geben. Jede Schwester muss sich mit diesem Problem selbst auseinandersetzen und es lernen, auch mit solchen schwierigen Situationen umzugehen. Sie kann nicht mit jedem Patienten "mitsterben" - das ist klar. Aber sie kann auf ihre Weise dazu beitragen, dass er sich nicht nur noch als "Magen" oder als "Galle" fühlt. Marlies Friedrich jedenfalls will erreichen, dass alle Schwestern und Pfleger den Grundsatz von der Unantastbarkeit der Würde des Patienten verinnerlichen. Dass der Patient der Mittelpunkt des pflegerischen Handelns wird.