Pressemitteilung 2023/035 vom

Bei einer Autoimmunen Enzephalitis, einer seltenen, aber schwerwiegenden und mitunter lebensbedrohlichen Entzündung des zentralen Nervensystems, richtet sich die körpereigene Abwehr gegen das zentrale Nervensystem. Zum ersten Mal beschrieben wurde diese Krankheit im Jahr 2007. Am häufigsten tritt die anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis auf. Bei dieser Autoimmunerkrankung ist ein Protein gestört, das bei der Signalübertragung im Gehirn eine wichtige Rolle spielt: der Glutamat Rezeptor vom NMDA-Typ, kurz NMDA-Rezeptor. Gegen diese Erkrankung haben Forschende aus Braunschweig, Jena, Leipzig und Berlin ein neues potentielles Therapeutikum entwickelt.

Bei der anti-NMDA Rezeptor-Enzephalitis stören Antikörper die Signalübertragung im Gehirn: Der Rezeptor, an den die Neurotransmitter Glutamat und Glycin binden, wird durch die Antikörperbindung in die Zelle aufgenommen. Somit kommt es zu einer verminderten Signalübertragung an Neuronen des zentralen Nervensystems. Bei den Betroffenen treten Psychosen wie Halluzinationen, epileptische Anfälle und Bewusstseinstrübungen bis zum Koma auf. Patient:innen beschreiben die Erkrankungssymptome wie ein „Feuer im Gehirn“, das sie nicht beeinflussen können. Die interdisziplinäre und ortsübergreifende DFG-Forschungsgruppe „SYNABS“ widmet sich der Erforschung dieser Erkrankung.

„Es ist unser Ziel, die Krankheitsmechanismen besser zu verstehen und unter Einsatz moderner Biotechnologie neue und zielspezifische Therapieansätze zu entwickeln“, sagt der Sprecher der Gruppe, Prof. Dr. Christian Geis vom Universitätsklinikum Jena. Mit ihrem translationalen Forschungsansatz konnte die Gruppe jetzt ein potentielles Therapeutikum entdecken. Das Molekül besteht aus einem Teil des NMDA-Rezeptors und einem konstanten Teil eines menschlichen Antikörpers. Die Krankheitserregenden Antikörper binden dann an dieses Fusionskonstrukt und nicht mehr an die NMDA-Rezeptoren.

„Um zu untersuchen, ob das neu entwickelte Molekül die Antikörper neutralisieren kann, haben wir biochemische und mikroskopische Methoden an kultivierten Nervenzellen von Mäusen und Menschen genutzt", sagt Toni Kirmann, Doktorand im SYNABS-Konsortium an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. „Wir werden versuchen, dieses therapeutische Konzept auf andere Formen der Autoimmunenzephalitis zu übertragen. Langfristig haben wir die Hoffnung, dass die neurowissenschaftliche Grundlagenforschung dazu beiträgt, die therapeutischen Möglichkeiten in der Neurologie und Psychiatrie zu verbessern", ergänzt Prof. Dr. Stefan Hallermann vom Carl-Ludwig-Institut für Physiologie, Medizinische Fakultät der Universität Leipzig.

Die TU Braunschweig hat in diesem Projekt das Wirkstoffmolekül entwickelt und biochemisch analysiert. Die Partner am Universitätsklinikum Jena und der Medizin der Universität Leipzig haben die DFG-Forschungsgruppe initiiert und die Analyse an Nervenzellen und in-vivo-Studien durchgeführt. Die Partner an der Charité und Freien Universität in Berlin haben die Autoimmunantikörper von Patient:innen identifiziert.

Originalpublikation in "Brain":
NMDA-receptor-Fc-fusion constructs neutralize anti-NMDA receptor antibodies
DOI: https://doi.org/10.1093/brain/awac497