Das oberste Ziel der Leipziger Forschungsgruppe ist die Bekämpfung von Sehbehinderung und Erblindung. Dr. Hosseinzadeh erklärt: „Wir wollen aus menschlichen Stammzellen eine Netzhaut erzeugen, die bei Erkrankten als Ersatz für die beschädigte Netzhaut verwendet werden kann. Oder die körpereigenen Zellen nutzen, um sie für den verletzten Teil einzusetzen. Darüber hinaus wollen wir an der Medizinischen Fakultät dazu beitragen, aus Stammzellen der Patient:innen gefertigte Medikamente, für die erkrankte Netzhaut, im Labor zu testen. Dadurch kann künftig das wirksamste Medikament mit der besten Dosis für die Netzhaut verwendet und die Behandlung konkret auf das Individuum abgestimmt werden.“
Der ERC Starting Grant soll den Leipziger Wissenschaftler:innen in den nächsten Jahren helfen, die Zukunft der aus Stammzellentechnologie gewonnenen Netzhaut in eine neue Richtung zu lenken. Dazu werden Vorgänge, die der funktionellen Reifung der Netzhaut während der Entwicklung zugrunde liegen, raumzeitlich genau aufgezeichnet. Ein Modell kombiniert die erhaltenen Informationen und dekodiert sie in retinale Organoide, Nachbildungen der Netzhaut, um die notwendigen elektrophysiologischen Ereignisse zur Erzeugung funktioneller retinaler Organoide bereitzustellen.
Jeder vierte Mensch in Europa älter als 60 Jahre betroffen
Das Auge ist wie eine Kamera und die Netzhaut auf dem Augenhintergrund ist der Film. Auf der empfindlichen Membran der Netzhaut befindet sich eine enorme Anzahl von Lichtsensorzellen, die bei Beleuchtung aktiviert werden. Mit der Funktion der Netzhaut können wir die Welt sehen. Laut Weltgesundheitsorganisation leiden weltweit mehr als eine Milliarde Menschen an Sehbehinderungen, bei denen die Netzhaut irreparabel beschädigt ist. Dazu zählen zum Beispiel die altersbedingte Makuladegeneration (AMD), diabetische Netzhauterkrankung (DED) oder der Venenverschluss der Netzhaut (RVO). Laut der European Society of Retina Specialists ist jeder vierte Europäer über 60 Jahre von AMD betroffen. Die Zahl der Krankheitsfälle wird bis 2050 voraussichtlich um 20 Prozent steigen. „Daher werden Therapien für solche Krankheiten dringend benötigt“, betont Dr. Hosseinzadeh.
PD Dr. Zohreh Hosseinzadeh ist seit 2019 Gruppenleiterin am Paul-Flechsig-Institut – Zentrum für Neuropathologie und Hirnforschung. An der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hat sie 2019 in Physiologie habilitiert und 2015 in Biologie promoviert. Den Bachelor und Master in Biologie absolvierte sie an der Shahid Chamran University im Iran. Der Forschungsschwerpunkt von Dr. Hosseinzadeh liegt auf dem Verständnis der Physiologie der Netzhaut und ihren Störungen, um Therapien mit verschiedenen interdisziplinären Ansätzen wie Stammzellen, Elektrostimulation und Computational Neuroscience zu finden. Mit Hilfe des ERC Starting Grant von 2023 bis 2028 wird der Forschungsprofilbereich „Erkrankungen von Gehirn und Seele“ der Medizinischen Fakultät gestärkt.
ERC Starting Grant auch für Nina Kolleck
Mit Prof. Dr. Nina Kolleck gibt es eine weitere Wissenschaftlerin der Universität Leipzig, der 2022 ein ERC Starting Grant zuerkannt wurde. Lesen Sie mehr über sie und ihre Forschung zum transnationalen Einfluss von NGOs auf Bildungssysteme.
„Ich freue mich sehr über diese guten Nachrichten und möchte den Wissenschaftlerinnen und allen an den Anträgen Beteiligten herzlich gratulieren“, sagte Prof. Dr. Eva Inés Obergfell, Rektorin der Universität Leipzig. „Bei den ERC Grants handelt es sich um ein hochkarätiges Förderinstrument. Der Europäische Forschungsrat bedenkt damit herausragende Forscherinnen, die einen wichtigen Beitrag zur Forschungsstärke un serer Universität leisten.“