Die Feuchtbodensiedlung im oberbayerischen Pestenacker ist Teil des UNESCO-Welterbes „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“. Die hervorragenden Konservierungsbedingungen durch den hohen Grundwasserspiegel ermöglichten eine bis heute anhaltende Erhaltung der Reste der ehemaligen Siedlung im Untergrund. Während über den Aufbau einzelner steinzeitlicher Häuser schon vieles bekannt war, fehlten bisher Kenntnisse über den Grund der Besiedlung des Moores durch die jungsteinzeitlichen Menschen.
Beeindruckender Einblick in die Strukturen und den Aufbau der Sedimente
Die geophysikalischen Untersuchungen vor Ort führten die Wissenschaftler:innen mit schonenden Erkundungstechniken durch, um die begrabenen, etwa 5.500 Jahre alten Holzstrukturen zu erhalten. Das Forscherteam verwendete deshalb unter anderem die sogenannte Direct-push-Technologie: Dabei wird eine dünne Sonde in den Boden gedrückt, während tiefengenau Farbwerte des Untergrundes aufgenommen werden. „Die Ergebnisse dieser Technologie geben einen beeindruckenden Einblick in die Strukturen und den Aufbau der Sedimente und ermöglichen dabei den Erhalt der empfindlichen archäologischen Holzbauten. Deshalb wird diese Methode in Zukunft eine bedeutende Rolle in der Feuchtboden(geo)archäologie spielen“, sagt Anne Köhler, Doktorandin am Institut für Geographie.
Aufbau der Sedimente hat sich grundlegend geändert
Die Ergebnisse der Direct-push-Sondierungen lieferten in Kombination mit geoarchäologischen Bohrungen einen exakten Einblick in den oberflächennahen Untergrund des ehemals vermoorten Tales mit den begrabenen steinzeitlichen Siedlungsresten. Die Datierungen der einzelnen Schichten und geochemische Analysen konnten belegen, dass das Tal noch vor der Besiedlung durch ein ausgedehntes Moor gekennzeichnet war. Danach ändert sich der Aufbau der Sedimente grundlegend, die Torfbildung kam zum Erliegen. In diesem Übergangsbereich liegen die Überreste der jungsteinzeitlichen Feuchtbodensiedlung Pestenacker.
Ein Bach senkte Grundwasserspiegel – neue Erkenntnisse unterstützen die vorherige These nicht
Die digitalen Aufarbeitungen der geoarchäologischen Aufzeichnungen der Altgrabungen zeigten einen grundlegenden Wechsel der Grundwassersituation im Talraum vor ca. 5.500 Jahren. Mit zunehmenden Niederschlägen und geringerer Verdunstung konnte sich im bisher vermoorten Tal bei Pestenacker ein kleiner Bach entwickeln. Dieser schnitt sich in die weichen Torfsedimente ein, senkte den Grundwasserspiegel und entwässerte somit die umliegenden Areale im Tal. „Diese neue Erkenntnis widerspricht der bisherigen These eines bestehenden Sees in unmittelbarer Umgebung der ehemaligen Siedlung“, erklärt Prof. Dr. Christoph Zielhofer. Die steinzeitlichen Siedler nutzten wahrscheinlich diesen Umstand und bauten ihre Häuser auf den jetzt trockengelegten Bereichen des Moores.
Die Studie entstand im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Projektes „Direct-Push-Anwendungen in der Feuchtboden(geo)archäologie“.
Originalpublikation in Quaternary Science Reviews:
„A hydrological tipping point and onset of Neolithic wetland occupation in Pestenacker (Lech catchment, S Germany)“, DOI: 0.1016/j.quascirev.2022.107370