Monatlich einmal befragten die Forschenden zwischen Dezember 2019 und Januar 2022 etwa 1.000 Erwerbstätige verschiedener Alters- und Berufsgruppen aus allen Bundesländern nach ihrem physischen und psychischen Gesundheitszustand, ihrer Zufriedenheit im Job, ihren Strategien zur Bewältigung der Pandemie, später auch zu ihrer Impfbereitschaft und zu Pandemiemüdigkeit. „Ich war überrascht, wie unterschiedlich die Menschen mit dem gravierenden Stress und den Einschnitten durch die Pandemie umgehen. Ich hatte gedacht, dass die meisten von ihnen zu funktionalen Bewältigungsstrategien greifen“, sagt Zacher. Tatsächlich aber gehen die Menschen sehr verschiedene Wege: Sie leugnen die Pandemie, suchen Ablenkung durch Alkohol- und Drogenkonsum, lassen ihre Wut an ihren Mitmenschen und an Politikern aus, kümmern sich verstärkt um die Familie oder laufen im Homeoffice zu Hochform auf. Was die meisten der Befragten vereint, ist die Tatsache, dass sie nach den „Dellen im Wohlbefinden“ durch die Lockdowns relativ schnell wieder zurück zu ihrer vorherigen Lebenseinstellung und damit zu mehr Leichtigkeit im Leben zurückfanden. „Das zeigt, wie anpassungsfähig Menschen in Krisenzeiten sind“, betont Zacher.
Homeoffice als neue Normalität
Etwa ein Drittel bis die Hälfte der Befragten arbeitete in dem Erhebungszeitraum teilweise oder ausschließlich im Homeoffice. „Für viele ist in der Pandemie Homeoffice zu einer neuen Normalität geworden“, sagt der Experte. Ein größerer Teil der Befragten konnte jedoch nicht zu Hause arbeiten, weil sie in systemrelevanten Berufen oder in der kritischen Infrastruktur tätig waren. Diejenigen, die im Homeoffice waren, sammelten mit dieser neuen Beschäftigungsart unterschiedliche Erfahrungen. Wer wie gut damit klarkommt, ist laut Zacher auch von der jeweiligen Persönlichkeit abhängig. Auch diese individuellen Merkmale wurden in der Studie erfragt. Während stärker extrovertierte Personen eher Probleme mit dem Arbeiten inklusive Videokonferenzen in den eigenen vier Wänden als introvertierte Personen hatten, kamen gewissenhafte Menschen gut mit der veränderten Arbeitssituation klar, weil sie die Aufgaben strukturierter angingen. Generell stellten Zacher und seine Kolleg:innen fest, dass Beschäftigte besser dran waren, wenn sie aktiv wurden, auf die Vorgesetzte oder den Vorgesetzen direkt zugingen und mit ihnen Lösungen für ihre Probleme offen besprachen.
Pandemie trägt zu Humanisierung der Arbeitswelt bei
Viele Chefinnen und Chefs und auch die meisten Beschäftigten sammelten durch die Pandemie erstmals mit dem mobilen Arbeiten Erfahrungen. Dadurch sei die Lernkurve mit dieser Art der Beschäftigung auf beiden Seiten steil nach oben gegangen, wie Zacher es ausdrückt. Neben der Einsamkeit, die viele der Befragten beklagten, habe die Corona-Krise aber auch positive Auswirkungen auf das Arbeitsleben. „Sie trägt zu einer Humanisierung der Arbeitswelt bei. Arbeit muss zukünftig stärker an menschliche Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenzerleben und sozialer Eingebundenheit gestaltet werden“, ist Zacher überzeugt. In den USA gebe es gerade eine Kündigungswelle, weil viele Beschäftigte nicht mehr wie bisher, zum Beispiel im lauten Großraumbüro arbeiten wollen und Unternehmen verlassen, die nicht auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter:innen eingehen. „Das könnte auch zu uns überschwappen. Die Pandemie hat ein Schlaglicht darauf geworfen, wie wichtig gut gestaltete Arbeit ist“, sagt der Fachmann. Auch hierzulande legten immer mehr Beschäftigte zunehmend Wert auf Flexibilität, sinnvolle und herausfordernde Arbeitsaufgaben und Unterstützung durch Kolleg:innen und Vorgesetze – Themen, die künftig wichtiger werden könnten als die Höhe der Bezahlung. Auch das Thema psychische Gesundheit sei durch die Pandemie etwas mehr aus der Tabuzone herausgekommen. Wenn die Arbeit gut gestaltet ist, werden auch die Krankschreibungszeiten der Beschäftigten kürzer. Wenn die Chemie mit den Kolleg:innen stimmt und sie stolz auf ihre Arbeit sind, kommen sie laut Zacher motivierter und eher zurück zur Arbeit.
Studie wird weitere sechs Monate fortgesetzt
Die Studie, die wie keine andere über einen so langen Zeitraum engmaschig die Folgen der Pandemie für die Arbeitswelt und den Gesundheitszustand der Beschäftigten in Deutschland analysiert hat, wurde von der VolkwagenStiftung gefördert. Die Stiftung wird die Untersuchungen Zachers und Rudolphs auch für weitere sechs Monate bis Mitte 2022 finanziell unterstützen, wie Zacher gerade erfahren hat. In den kommenden Monaten sollen die Teilnehmer:innen unter anderem zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zum Umgang mit Leerlaufzeiten bei der Arbeit und zu dauerhaften positiven und negativen Veränderungen im Leben durch die Pandemie befragt werden.