Langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Alzheimer-Forschung
Wissenschaftler des Paul-Flechsig-Instituts für Hirnforschung waren vor über 30 Jahren an der Entdeckung des Absterbens von Neuronen, die den Botenstoff Azetylcholin zur Übertragung von Signalen verwenden im Gehirn von Alzheimer-Patienten, beteiligt. Sie haben damit zu den Grundlagen der bis heute einzigen verfügbaren Behandlung der Erkrankung beigetragen, die darauf abzielt, den Verlust des Botenstoffes Azetylcholin auzugleichen und gehören zu den Forschungsgruppen in Deutschland, die am längsten auf dem Gebiet der Erforschung der Ursachen und der Entwicklung therapeutischer Konzepte der Alzheimerschen Erkrankung tätig ist.
Forschungen aus der Arbeitsgruppe des geschäftsführenden Institutsdirektor, Prof. Thomas Arendt, haben überraschende Parallelen zwischen den Erkrankungsmechanismen bei Alzheimerscher Erkrankung und Tumorerkrankungen erkennen lassen. Hierauf beruht ein völlig neuartiges Konzept zur Frühdiagnose und Behandlung. "Wir sind optimistisch, einen von uns entwickelten Bluttest zur Frühdiagnose der Erkrankung in einem überschaubaren Zeitraum in die klinische Anwendung zu überführen und später kostengünstig und einfach beim Hausarzt durchzuführen zu lassen", so Arendt. Auf der therapeutischen Seite konzentriert sich sein Team auf die Entwicklung einer Gentherapie, deren Wirksamkeit experimentell bereits gezeigt werden konnte. Hierbei wird ein molekularer Schalter in die Zelle eingebaut, der den Zellschutz aktiviert und so das Absterben von Nervenzellen verhindert. Die Gruppe arbeitet derzeit an den Voraussetzungen, diese Therapie in die klinische Anwendung zu überführen. Dennoch dämpft Arendt die Erwartungen: "Wir sind auf einem sehr erfolgversprechenden Weg, dennoch wird die Entwicklung einer effektiven Therapie noch viele Jahre in Anspruch nehmen".
Links zu Forschungsmeldungen aus diesem Bereich:
- Ummantelung von Nervenzellen
- Proteinablagerungen
- Hirnentwicklungsstörung
- Portrait Paul-Flechsig-Institut (Seite 16)
Forschung: Reinigungssystem des Gehirns
In der Alzheimerforschung haben sich bislang zwei große Strömungen hervorgetan. Die einen sagen, dass die Erkrankung mit einer Überproduktion des Amyloidproteins beginnt, die zur Bildung der unlöslichen Plaques zwischen den Zellen führt. Andere sehen darin eher eine Folge der Erkrankung. Ein wichtiger, aktueller Ansatzpunkt ist das eigene Reinigungssystem des Gehirns. Obwohl sein Gewebe sehr dicht ist, wird ständig Flüssigkeit ausgetauscht, um Abfallstoffe, die regulär beim Stoffwechsel entstehen, abzutransportieren und anschließend zum Beispiel über die Nasenschleimhaut auszuscheiden. Im Gegensatz zu anderen Organen besitzt das Nervengewebe im Gehirn allerdings keine eigenen Lymphgefäße. Deshalb muss das Abwasser aktiv aus dem Gehirn gepumpt werden. Als Abwasserschleusen dienen die so genannten perivaskulären oder Virchow-Robin Räume. Diese schmalen Räume zwischen einem Blutgefäß und dem eigentlichen Hirngewebe beschäftigen Prof. Ingo Bechmann, Direktor des Instituts für Anatomie an der Medizinischen Fakultät. Probleme entstehen, wenn sich Gefäßwände krankhaft verändern, umgangssprachlich verkalken, und so auch der Reinigungsmechanismus im Gehirn beeinträchtigt wird - eine mögliche Erklärung für die schädlichen Ablagerungen (Plaques) bei der Alzheimerkrankheit. Verschärfend kommt hinzu, dass auch das dichte Netzwerk von Fresszellen, die Mikroglia, im Alter Schaden nehmen kann und somit ein weiterer, wichtiger Reinigungsmechanismus im Gehirn gestört wird.
"Sehr viele Alzheimerfälle fallen dadurch auf, dass sie krankhafte Gefäßveränderungen aufweisen und gleichzeitig die Mikroglia geschädigt ist", sagt Bechmann. Geforscht wird nun, wie Mikroglia geschützt oder sogar durch eine Art Zelltransplantation ausgetauscht werden kann. Eine Plattform ist das internationale Forschungsprojekt ICEMED zu umweltbedingten Stoffwechselerkrankungen im Gehirn, an dem sich Bechmanns Team beteiligt.
Link zur ausführlichen Veröffentlichung
Diagnostik: Aufklärung mittels High-Tech-Bildgebung
Viele Jahre bevor die Alzheimer-Erkrankung ausbricht, lagert sich Beta-Amyloid im Gehirn ab. Das Eiweiß ist giftig für die Nervenzellen und lässt sie absterben. Im Rahmen einer internationalen, von der Leipziger Uniklinik für Nuklearmedizin geleiteten Studie wurde erfolgreich ein Mittel getestet, mit dem Beta-Amyloid nicht-invasiv, also ohne in den Körper einzugreifen, nachgewiesen werden kann. Dafür wird eine schwach radioaktive Substanz in den Arm gespritzt, breitet sich im Gehirn aus und markiert das schädliche Eiweiß. Mittels eines der weltweit ersten kombinierten PET (Positronen-Emissions-Tomografen)/MRT (Magnetresonanztomografie)-Geräts kann das Eiweiß anschließend dreidimensional sichtbar gemacht werden. "Auf diesem Weg könnte die Krankheit in Zukunft bereits sichtbar gemacht werden, bevor Symptome auftreten", blickt Prof. Henryk Barthel in die Zukunft. "Das wäre eine wirkliche Revolution in der Alzheimer-Diagnostik." Die kombinierte PET/MRT-Bildgebung bei Verdacht auf Alzheimer-Erkrankung hat sich an der Uniklinik Leipzig schnell zu einer Standardmethode entwickelt. Sie ist besonders beliebt bei Patienten wie Ärzten, da sich alle wichtigen Bildgebungsbefunde innerhalb von kurzer Zeit und in einer einzigen Sitzung gewinnen lassen.
Links zu Veröffentlichungen aus diesem Bereich:
Therapie: Aussichten
Alzheimer ist eine besondere Erkrankung, weil sie bereits häufig in der Gesellschaft vorkommt und durch die steigende Lebenserwartung noch zunehmen wird. In Deutschland sind Schätzungen zufolge etwa eine Million Menschen betroffen. "Die Häufigkeit steigt ab dem 65. Lebensjahr. Um das 90. Lebensjahr haben 40 bis 50 Prozent aller Menschen Alzheimer", erklärte Prof. Hermann-Josef Gertz, stellvertretender Direktor der Uniklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. "Eine frühe und sichere Diagnostik schafft die Grundlage für unsere Therapien, indem wir die Wirksamkeit besser nachweisen und diese in Zukunft hoffentlich auch wesentlich früher einsetzen können." In den vergangenen zehn Jahren hat es bei der Diagnostik entscheidende Fortschritte gegeben. Die Medikamente zur Behandlung sind dagegen alle in den 1990-er Jahren entwickelt worden und für ein fortgeschrittenes Stadium der Alzheimerkrankheit gedacht. Bahnbrechende Neuerungen hat es auf therapeutischem Gebiet bisher nicht gegeben. Die Folge: Betroffene wissen durch die frühe Diagnostik zwar über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren von ihrer Krankheit, für dieses Stadium gibt es jedoch keine Therapiemöglichkeiten. "Das ist ein echtes Praxisproblem, das sich noch zuspitzen wird", sagte der Demenzforscher.
In Vorbereitung auf den Welt-Alzheimer-Tag stehen die Experten für Presseanfragen gerne zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich zur Terminabsprache an die Pressestelle der Medizinischen Fakultät: diana.smikalla(at)medizin.uni-leipzig.de.