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Der Schlaf im Erwachsenenalter ist an bestimmte Tageszeiten gebunden. Im Gegensatz dazu fehlt dem Schlaf im frühen Leben dieses klare tägliche (zirkadiane) Muster. Wie diese entwicklungsbedingte Veränderung gesteuert wird, ist bislang nicht bekannt. Prof. Dr. Andreas Thum, der Leiter der Arbeitsgruppe Genetik am Institut für Biologie der Universität Leipzig, hat zusammen mit einem Forscherteam der University of Pennsylvania genau ermittelt, wann das sogenannte zirkadiane Schlafmuster bei jungen Fruchtfliegen-Larven (Drosophila) beginnt.

Dies geschieht durch die Bildung einer neuen Gehirnverbindung zwischen Zellen, die die Zeit im Gehirn codieren (die innere Uhr), und Zellen, die die Erregung fördern. Der tägliche Schlafrhythmus verhilft den Fliegenlarven zu einem tieferen Schlaf, der die Bildung des Langzeitgedächtnisses ermöglicht. Diese neuen Erkenntnisse, die kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Science Advances“ veröffentlicht wurden, könnten auch für die Erforschung des Schlafverhaltens von menschlichen Säuglingen von Bedeutung sein.

In dieser Studie, bei der die Forschenden der University of Pennsylvania federführend waren, haben die Wissenschaftler:innen der Universität Leipzig den präzisen Zeitpunkt in der Entwicklung identifiziert, an dem die zirkadiane Uhr bei der Fruchtfliege beginnt, den Schlaf zu steuern. Dies führt zur Entstehung von Schlafrhythmen im frühen dritten Larvenstadium. „In der Studie konnten wir erstmals unsere Expertise – das Lernverhalten der Larve und die dafür nötigen Verschaltungen im Gehirn – mit dem Gebiet der Schlafforschung bei der Fruchtfliege kombinieren“, erklärt Professor Thum. Auch für menschliche Säuglinge sei die Reifung der Schlafmuster für die kognitive Entwicklung wichtig. „Säuglinge müssen anfangs häufig zwischen Schlafen und Füttern wechseln, was längere Tiefschlafphasen einschränkt. Mit zunehmendem Alter können Säuglinge längere Zeiträume ohne Nahrung aushalten, was tiefere Schlafperioden und komplexere Gehirnfunktionen ermöglicht“, sagt der Biologe.

Thum und seine Kolleg:innen konnten zeigen, dass Fruchtfliegen im frühen dritten Larvenstadium ein langfristiges Gedächtnis für unangenehme Reize entwickeln. Dieses Gedächtnis hängt von der Entstehung des Tiefschlafs ab, der einsetzt, sobald die zirkadianen Schlafrhythmen auftreten. „Unsere Vermutung ist, dass die Entwicklung des zirkadianen Schlafs komplexere kognitive Prozesse ermöglicht, einschließlich der Bildung von langanhaltenden Erinnerungen“, erläutert der Forscher.

 

Originaltitel der Veröffentlichung in "Science Advances":
"Developmental emergence of sleep rhythms enables long-term memory in Drosophila", doi: 10.1126/sciadv.adh2301