Die Wissenschaftler nahmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Menstruationszyklus‘ Geruchsproben aus dem anogenitalen Bereich von weiblichen Weißbüschelaffen. Ein Teil der Proben wurde mittels Gaschromatographie-Massenspektrometrie untersucht, um die Zusammensetzung des Geruchs zu analysieren. Im Vergleich zwischen den Phasen des Menstrualzyklus wurden Geruchssubstanzen deutlich, die während oder nach dem Eisprung besonders intensiv waren. „Anhand dieser Substanzen könnten Männchen den Zeitpunkt und das Ende der fertilen Phase der Weibchen erkennen“, sagt die Erstautorin der Veröffentlichung, Marlen Kücklich von der Universität Leipzig und dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Deshalb wurde der andere Teil der Proben den Männchen präsentiert, um deren Interesse an den Gerüchen zu testen. Die Männchen zeigten allgemein mehr Interesse an den Geruchsproben von Weibchen während der fruchtbaren Phase als an den Proben aus nicht-fruchtbaren Phasen.
Weißbüschelaffen leben in erweiterten Familiengruppen, in denen in der Regel nur das Zuchtpaar Nachwuchs bekommt. Frühere Studien haben gezeigt, dass die väterliche Fürsorge von entscheidender Bedeutung für das Überleben der Jungtiere ist. „Nur, wenn das Männchen wirklich der Vater der Jungtiere ist, lohnt sich für ihn dieser Energieaufwand der Fürsorge. Erkennt er am Geruch des Weibchens deren fertile Phase, kann er durch gezielte Kopulationen während dieser Zeit seine Vaterschaft gegen externe Männchen sicherstellen. Damit könnte der Geruch helfen, die Bindung des Zuchtpaares zu stärken und die Überlebenswahrscheinlichkeit der Jungtiere zu erhöhen“, erklärt Marlen Kücklich die Bedeutung der Geruchsveränderungen für das Sozialleben der Weißbüschelaffen.
In dieser Studie haben die Autoren nicht nur die Verhaltensreaktionen der Tiere auf soziale Gerüche beobachtet, sondern auch die Zusammensetzung der Gerüche der Weibchen analysiert. „Methodische Probleme beim Sammeln von Gerüchen haben lange Zeit den Nachweis dieser Veränderungen im Geruchsprofil erschwert. Inzwischen haben wir eine Methode aus der Pflanzenökologie übernommen und auf das Sammeln von Körpergerüchen von Säugetieren angepasst. Dies ist eine vielversprechende Methode, mit der wir chemische Substanzen ermitteln können, die für Fertilität, soziale Dominanz, Gesundheit und Fitness spezifisch sind“, erklärt die leitende Autorin Prof. Dr. Anja Widdig, die ebenfalls an beiden Einrichtungen forscht. Zukünftige Studien könnten auf diese Art und Weise helfen, die soziale Kommunikation von Primaten, einschließlich den Menschen, besser zu verstehen.
Originaltitel der Veröffentlichung in „Scientific Reports“:
“Chemical cues of female fertility states in a non-human primate”, Doi: 10.1038/s41598-019-50063-w