Pressemitteilung 2004/435 vom

Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig, Wolfgang Ratzmann: Auch viele Konfessionslose suchen zu Weihnachten nach Lebenssinn in den alten biblischen Geschichten

Trotz sinkender Kirchenmitgliedszahlen besinnen sich zu Weihnachten wieder mehr Menschen auf die christlichen Werte. "Für viele ist Weihnachten der Tag, an dem Gott im Menschensohn Jesus ansichtig wird", sagt der Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig, Prof. Dr. Wolfgang Ratzmann. Der Besuch der Christvesper oder des Bachschen Weihnachtsoratoriums gehöre ebenso dazu wie die Sehnsucht nach Familie. "Die biblische Weihnachtsgeschichte ist eine Familiengeschichte, und viele projizieren darauf ihre eigenen Familienideale", schlussfolgerte der 57-Jährige. Dies treffe sowohl auf Nichtkonfessionelle, aber auch auf katholische und evangelische Gemeindeglieder zu.

"Auch viele Konfessionslose suchen zu Weihnachten nach Lebenssinn in den alten biblischen Geschichten, während andere kirchliche Feiertage gerne allein als willkommene Freizeit verstanden und zum Kurzurlaub genutzt werden und damit zwangsläufig an Bedeutung verlieren", sagt Ratzmann. Gleichwohl warnt der Theologe vor der immer stärker werdenden Kommerzialisierung des Festes. "Wenn nur noch die Konsumorientierung im Vordergrund steht, kann in einigen Jahrzehnten die Botschaft der Jahrtausende alten Texte untergehen. Es bliebe nur noch die Hülle ohne den elementaren Inhalt übrig." Einen Dank spricht Ratzmann den Kirchen aus, die verhinderten, dass die Traditionen vergessen würden und dass Weihnachten schon im Oktober beginne.

Dass viele Kinder bei Weihnachten ausschließlich an prachtvolle Geschenke und einen funkelnden Christbaum denken, führt Prof. Ratzmann in den neuen Bundesländern vor allem auf die Geschichte zurück. "Die DDR-Führung versuchte konsequent, die christliche Tradition zu verdrängen und nach russischem Vorbild beispielsweise in den 1960er Jahren Väterchen Frost einzuführen." In Ostdeutschland gehört ein Viertel der Bevölkerung der evangelisch-lutherischen oder katholischen Kirche an, im Westen sind es etwa drei Mal so viele.

Die Theologische Fakultät der Universität Leipzig ist abgesehen von Berlin die größte Einrichtung ihrer Art in den neuen Bundesländern. Im laufenden Wintersemester 2004/2005 sind 646 Studenten der Studiengänge Diplomtheologe beziehungsweise Kirchliches Examen mit dem Berufsziel Pfarramt, Magister und Lehramt eingeschrieben, 120 mehr als im Vorjahr.