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Auch geringste Mengen von Chemikalien, wie sie etwa in Pestiziden, Herbiziden und Weichmachern vorkommen, sind schädlich für die menschliche Entwicklung. Das hat ein Team von Wissenschaftler:innen aus Stockholm, Paris, Karlstad/Schweden, Zypern, Mailand und Leipzig in einer Studie gezeigt, die aktuell im renommierten Wissenschaftsmagazin Science publiziert wurde. Weichmacher kommen in vielen Geräten des täglichen Bedarfs, auch in Kinderspielzeug und Verpackungen vor. Die Entwicklung von Kindern im Mutterleib und in den frühen Lebensjahren ist besonders gefährdet.

Mischungen unterschiedlicher Chemikalien, auch geringste Konzentrationen, haben nach den neuen Befunden der Forscher:innen einen Effekt auf die kindliche Entwicklung. Die untersuchten Konzentrationen der Schadstoffe, wie sie in Unkrautvertilgungsmitteln, Insektenvertilgungsmitteln sowie in weichen Plastikgegenständen und Kosmetika überall auf der Welt vorkommen, sind zwar jeweils für sich genommen sehr gering, Mischungen der unterschiedlichsten Chemikalien wirken aber zusammen auf den menschlichen Organismus.

Die Forscher konzentrierten sich in ihrer Studie auf 20 Industriechemikalien und ihre Metaboliten im Blut und Urin von 1874 schwangeren Frauen. Messungen bei Schwangeren und Müttern in Schweden (Karlstad) sowie Deutschland, im Rahmen der LIFE Child-Studie unter Leitung von Prof. Dr. Wieland Kiess an der Medizinischen Fakultät, belegten das Vorkommen der Schadstoffe im mütterlichen Körper. Im ersten Teil des Experiments konnten die Forscher zeigen, dass die Kombination einiger dieser Stoffe mit einer verzögerten Sprachentwicklung bei Kindern einhergeht, was ein frühes Anzeichen für eine Veränderung der neurologischen Entwicklung sein kann.

In weiteren Untersuchungen zeigten die Wissenschaftler:innen, dass die Mischungen der auch in geringen Konzentrationen eingesetzten Chemikalien in unterschiedlichen Untersuchungssystemen zum Beispiel in Zebrafischen, Froschlarven und menschlichen Stammzellen Wirkungen entfalten. Im abschließenden Studienteil wurden die Erkenntnisse aus den experimentellen Studien genutzt, um neue Grundsätze für die Risikobewertung von Chemikaliengemischen zu entwickeln. Die Ergebnisse zeigten, dass etwa die Hälfte der schwangeren Frauen Chemikaliencocktails in sich trugen, die das Risiko einer verzögerten Sprachentwicklung bei Kindern erhöhen könnten. So hatten die Kinder der Frauen mit den höchsten gemessenen Werten des kritischen Chemikaliencocktails ein 3,3-mal höheres Risiko für eine Sprachverzögerung als die Kinder der Frauen mit den niedrigsten Werten.

„Die prominent publizierten Ergebnisse zeigen wie wichtig es ist, dass sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Fächer, in diesem Fall der Chemie, der Toxikologie, der Kinderheilkunde, der Epidemiologie, der Immunologie, der Endokrinologie und Biochemie zusammentun, um wichtige Fragen des Alltags beantworten zu können“, sagt Prof. Wieland Kiess, Leiter der Langzeitstudie LIFE Child an der Medizinischen Fakultät. Als Fazit der so hochkarätig publizierten Daten gelte, dass es in der Toxikologie nicht genüge, einzelne Substanzen in ihrer positiven oder negativen Wirkung zu testen, sondern auch Mischungen auf potentielle Auswirkungen auf gerade dem entstehenden und wachsenden menschlichen Körper zu testen, so der Leipziger Experte für Kindergesundheit.

Originalpublikation in Science: From cohorts to molecules: Adverse impacts of endocrine disrupting mixtures.