Pressemitteilung I2022/001 vom

Wie wirksam ist der Biodiversitätsschutz europäischer und afrikanischer Nationalparks? Dies scheint stark mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen zusammenzuhängen, in die sie eingebettet sind. Aber selbst unter den günstigsten Bedingungen können die Bedrohungen der biologischen Vielfalt in den Nationalparks nicht vollständig beseitigt werden, wenn sie nicht gleichzeitig auch außerhalb verbessert werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie unter Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) und der Universität Bonn in Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), der Universität Leipzig, der Friedrich-Schiller-Universität Jena und vielen weiteren Institutionen. Die Studie, die in der Fachzeitschrift "Nature Sustainability" veröffentlicht wurde, unterstreicht die dringende Notwendigkeit besserer Nationalpark-Netzwerke.

Trotz beachtlicher Schutzbemühungen und Investitionen von Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und internationalen sowie nationalen Naturschutzbehörden geht die biologische Vielfalt weltweit weiter zurück. Eine der wichtigsten Strategien, um den Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten, ist die Einrichtung von Schutzgebieten wie Nationalparks, die günstige Bedingungen für eine stabile biologische Vielfalt schaffen sollen.

Artenrückgang steht in engem Zusammenhang mit dem Index der menschlichen Entwicklung

Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von iDiv, MPI-EVA und der Universität Bonn in Zusammenarbeit mit dem UFZ, der Universität Leipzig, der Friedrich-Schiller-Universität Jena und vielen anderen Institutionen, hat nun anhand von Häufigkeitsentwicklungen von 464 Säugetier- und Vogelarten in 114 Nationalparks in 25 Ländern Afrikas und Europas deren Wirksamkeit zur Erhaltung der biologischen Vielfalt untersucht. Für den Untersuchungszeitraum 2007 bis 2017 stellten sie fest, dass die Wirksamkeit der 66 afrikanischen und 48 europäischen Parks stark von den jeweiligen lokalen und nationalen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen abhängt, die sich im sogenannten Human Development Index (HDI) widerspiegeln. Eine wahrscheinliche Erklärung ist, dass die Nachfrage nach Ressourcen aus Nationalparks höher und weniger reguliert ist, wenn der HDI niedrig ist. Die Parks in den Ländern mit den höchsten HDI-Werten wiesen einen durchschnittlichen Rückgang der Häufigkeit von Arten von etwa 10 % auf, gegenüber mehr als 25 % in den Parks in den Ländern mit dem niedrigsten HDI.

Nationalparks bieten unter keinen Bedingungen einen 100-prozentigen Schutz

„Wir konnten aber auch feststellen, dass scheinbar wirksame Nationalparks, die in einen günstigen sozioökonomischen Kontext eingebettet sind (z. B. hoher HDI), nicht unbedingt eine universelle Lösung für ein ideales Nationalparkmanagement darstellen“, sagt der Hauptautor Dr. Tsegaye Gatiso, Forscher an der Universität Bonn und bei iDiv. „Schließlich können keine sozioökonomischen Bedingungen und keine der derzeit umgesetzten Schutzmaßnahmen die vollständige Beseitigung von Bedrohungen der biologischen Vielfalt garantieren. Arten können in ein und demselben Nationalpark auch unter ungünstigeren äußeren Bedingungen zurückgehen, da Schutzgebiete ein untrennbarer Teil eines dynamischen, komplexen sozial-ökologischen Systems sind.“

Verbesserte Nationalpark-Netzwerke nötig

Die Forscher kommen daher zu dem Schluss, dass noch eine Lücke zu vollständig wirksamen Nationalparks bleibt. Ein entscheidender Bedarf besteht in einer verbesserten Gestaltung des Netzwerks von Nationalparks und des damit verbundenen Managements, um Bedrohungen zu vermindern und es ökologisch funktionsfähig zu machen. Konzertierte Aktionen wie die Ausweitung des Netzwerks an Nationalparks, die Einrichtung von Korridoren zwischen Schutzgebieten, um die Ausbreitung von Arten zwischen ihnen zu erleichtern, und, besonders wichtig, die Verbesserung der Bedingungen für die biologische Vielfalt außerhalb der Nationalparks, sind die wichtigsten Elemente, um den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten.

„Viele Nationalparks sind zu ‘Inseln in einer Wüste industrieller Land-, Forstwirtschaft sowie Infrastruktur' geworden. Die schlechten ökologischen Bedingungen außerhalb der Nationalparks reduzieren die Häufigkeit der Arten. Schließlich orientieren sich diese in ihren Verbreitungsgebieten nicht an von Menschen gesetzten Nationalparkgrenzen. Sind sie dann vielfältigen negativen Lebensbedingungen außerhalb der Parks ausgesetzt, hat dies auch negative Rückwirkungen auf ihre Häufigkeitsentwicklung innerhalb der Parks“, ergänzt der Seniorautor der Studie, Dr. Hjalmar Kühl, Wissenschaftler bei iDiv und MPI-EVA. „Wichtig ist daher, dass die ökologischen Bedingungen außerhalb der Parks deutlich verbessert werden. Schutzgebiete, und insbesondere Nationalparks, sind Sensoren für den Zustand der biologischen Vielfalt unseres Planeten. Die mangelnde Wirksamkeit der beobachteten Parks muss sehr ernst genommen werden, und wir müssen große Anstrengungen unternehmen, um das Netzwerk an Schutzgebieten im Hinblick auf seine ökologische Funktionalität deutlich zu verbessern.“
 

Die Studie wurde vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Robert Bosch Stiftung gefördert.

Originalveröffentlichung in Nature Sustainability:
Effectiveness of protected areas influenced by socio-economic context. DOI: 10.1038/s41893-022-00932-6