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Atmosphärische Aerosolpartikel sind für die Bildung von Wolken und Niederschlag unerlässlich und beeinflussen so den Energiehaushalt, den Wasserkreislauf und das Klima der Erde. Der Ursprung von Aerosolpartikeln in der unberührten Luft über dem Amazonas-Regenwald während der Regenzeit ist jedoch kaum erforscht. Eine neue Studie unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz zeigt, dass Regenfälle regelmäßig zu riesigen Mengen neu gebildeter Nanopartikel in der Luft über dem Blätterdach des Waldes führen. Daran beteiligt waren aus Leipzig auch Gabriela Unfer vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) und Mira Pöhlker von der Universität Leipzig und TROPOS.

Im Amazonas-Regenwald kommt es während der Regenzeit häufig nachmittags zu starken Niederschlägen. Damit sich Wolken und Regen bilden können, sind winzige Partikel in der Luft erforderlich, sogenannte Wolkenkondensationskerne, an denen Wasserdampf kondensieren und sich so Wolkentröpfchen bilden können. Der Ursprung dieser Wolkenkondensationskerne im Regenwald ist allerdings bisher unklar.

Ein internationales Forschungsteam aus Deutschland, Brasilien, Schweden und China hat nun gezeigt, dass Regenfälle regelmäßig zu einer explosionsartigen Vermehrung von natürlichen Nanopartikeln führen, die dann zu Wolkenkondensationskernen heranwachsen können. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten umfangreiche Langzeitmessungen von Aerosolpartikeln, Spurengasen und meteorologischen Daten des Amazon Tall Tower Observatory (ATTO), das mit wissenschaftlichen Instrumenten und Messtürmen ausgestattet ist, die bis zu 325 Meter hoch sind. Die Forschungsstation liegt mitten im Amazonas-Regenwald im Norden Brasiliens, etwa 150 Kilometer nordöstlich von Manaus, und wird gemeinsam von Forschenden aus Deutschland und Brasilien betrieben.

Luiz Machado, Erstautor der jetzt in der Zeitschrift Nature Geoscience veröffentlichten Studie, erklärt: „Durch den Regen werden Aerosolpartikel ausgewaschen und Ozon aus der Atmosphäre in das Kronendach des Waldes eingetragen. Das Ozon oxidiert dann von Pflanzen emittierte flüchtige organische Verbindungen, insbesondere Terpene. Die Oxidationsprodukte wiederum können die Bildung neuer Partikel fördern, was zum vorübergehenden massenhaften Auftreten von Nanopartikeln führt.“

Höchste Konzentration von Nanopartikeln direkt über dem Wald

Die Forschenden stellten fest, dass die Nanopartikelkonzentration direkt über dem Blätterdach am höchsten ist und mit zunehmender Höhe abnimmt. „Dieser Gradient bleibt während der gesamten Regenzeit bestehen. Das deutet darauf hin, dass sich regelmäßig Partikel im Kronendach bilden und in höhere Luftschichten strömen. Dabei wachsen sie durch weitere Aufnahme schwerflüchtiger Moleküle an und können als Wolkenkondensationskerne dienen“, fügt Christopher Pöhlker, Mitautor und Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Chemie, hinzu. Zu den schwerflüchtigen Molekülen, welche in die Bildung und das Wachstum natürlicher Nanopartikel in der Atmosphäre involviert sind, gehören sauerstoff- und stickstoffhaltige organische Verbindungen. Letztere entstehen bei der Reaktion von Ozon und Hydroxyl-Radikalen mit Isopren, Terpenen und anderen flüchtigen organischen Verbindungen, die von Pflanzen natürlich gebildet und in die Luft abgegeben werden.

Frühere Studien hatten die Bildung neuer Partikel im Nachgang von Gewitterwolken in der oberen Troposphäre nachgewiesen, was einen Abwärtsstrom der Partikel anstelle eines Aufwärtsflusses nahegelegt.

„Unsere Ergebnisse deuten auf einen Paradigmenwechsel im wissenschaftlichen Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Regenwald, Aerosolen, Wolken und Niederschlag im Amazonasgebiet hin, die für das regionale und globale Klima von Bedeutung sind“, so Ulrich Pöschl, Mitautor und Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie.

Originaltitel der Publikation in “Nature Geoscience”:

“Frequent rainfall-induced new particle formation within the canopy in the Amazon rainforest”, Doi: 10.1038/s41561-024-01585-0