Bislang wurden unimolekulare Heterolysen üblicherweise an polaren Bindungen durchgeführt, in denen ein Bindungspartner von Haus aus an den Bindungselektronen „stärker zieht“ als der andere und so eine Umverteilung der Elektronen bewirkt. Unpolare Bindungen durchlaufen dagegen lediglich eine homolytische Spaltung, bei der zwei Bindungspartner symmetrisch so gespalten werden, dass die Bindungselektronen jeweils hälftig auf die zuvor gebundenen Partner aufgeteilt werden.
Dieser vermeintlich scheinbar unbedeutende Sachverhalt hat gravierende Folgen: Dadurch werden für unimolekulare heterolytische Reaktionen, die zum Teil in der großtechnischen Produktion von Hochleistungsmaterialien oder der Herstellung von Medikamenten eine zentrale Rolle spielen, primär polare Ausgangsstoffe genutzt. Diese Startmaterialien sind zwar deutlich reaktiver, aber oftmals aufwendiger in der Handhabung und nicht selten mit einer problematischeren Umweltbilanz behaftet. Die Möglichkeit, auch unpolare Ausgangsstoffe zukünftig direkt einsetzen zu können, kann zu einer verbesserten Effizienz dieser chemischen Prozesse führen. So könnte auf den Einsatz von ökologisch ungünstigen Chemikalien - etwa bei der Herstellung von Industrieprodukten–verzichtet werden, was wirtschaftliche und technologische Vorteile bringen könnte.
„Die Bedeutung der gewonnenen Erkenntnisse ist von transdisziplinärer Tragweite, da dieses neue Konzept nicht nur als ein alternatives und ergänzendes ‚Werkzeug‘ für die Synthese genutzt werden kann, sondern sich perspektivisch auch neue Möglichkeiten für die Durchführung und Erforschung chemischer Reaktionen ergeben können“, sagt Prof. Dr. Kirsten Zeitler, Professorin für Organische Chemie der Universität Leipzig. Sie hat an den umfassenden mechanistischen Überlegungen und Diskussionen zum Ablauf dieser neuartigen, zweistufigen Form der Heterolyse im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereichs CRC 325 („Assembly Controlled Chemical Photocatalysis“) mitgewirkt. Federführend bei diesem Projekt waren Prof. Dr. Alexander Breder, Prof. Dr. Patrick Nürnberger und Prof. Dr. Julia Rehbein von der Universität Regensburg. Beteiligt war auch Prof. Dr. Leticia González von der Universität Wien.
Originalpublikation in “Nature”:
"Unimolecular net heterolysis of symmetric and homopolarσ-bonds", DOI: 10.1038/s41586-024-07622-7