Pressemitteilung 2007/177 vom

Spaziergang durch den Apothekergarten der Uni Leipzig

Die schmiedeeisernen Gartentore behüten die Idylle nur zum Schein. Jeder darf sie öffnen und eintreten, die Ruhe genießen, dem Plätschern des Brunnens lauschen, die Aromen schnuppern, das Grünen und Blühen bewundern. Nur ein paar Schritte vom turbulenten Ostplatz entfernt gedeiht der Apothekergarten der Universität Leipzig, der nach rund 450 Jahren an anderen Orten - deshalb gilt er als einer der ältesten in Deutschland - 2001 hier angelegt wurde.

Studenten, Forscher, Spaziergänger, Kleingärtner, Heilpflanzenexperten oder Köche sind eingeladen zu wissenschaftlichem Arbeiten und genüsslichem Erkunden. Rund 250 Arten wurden hier zusammengetragen und detailliert ausgeschildert. Wer alles ganz genau wissen will, kann sich einer Führung anschließen, die durch das Institut für Pharmazie der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie organisiert werden. Die meisten Gruppen begleitet Dr. Heidemarie Horn, Mitarbeiterin des Instituts und Expertin für Pharmaziegeschichte.

Und zwischen Artischocke und Zeitloser kann man dann bei ihr auch alle Fragen loswerden. Wenn sie nur einen Quadratmeter für ein Kräuterbeet hätte, was würde sie pflanzen? "Auf jeden Fall Pfefferminze, die bei Verdauungsproblemen hilft, die beruhigende Melisse, ein bisschen Salbei für Schleimhautbeschwerden, im Mund zum Beispiel. Und dann unbedingt noch ein je ein Stöckchen Lavendel und Rosmarin wegen des Duftes und für wohltuende Bäder." Was nicht frisch verbraucht wird, solle man trocknen so, die Expertin, möglichst rasch, im Halbschatten, und dann luftdicht verschließen.

Natürlich werden die meisten Kräuter nicht gänzlich anders angewendet also schon von den Klostergärtnern des Mittelalters. Und dennoch geben sich die Pharmazeuten nicht allein mit Überliefertem zufrieden. So wurde das Herzgespannkraut bereits 1485 als Medikament bei Herzkrankheiten erwähnt und gegen "Herzzittern und -klopfen" empfohlen. Mediziner und Pharmazeiten der Uni Leipzig haben gemeinsam herausgefunden was hinter dieser Wirkung steckt und versuchen nur, die in die moderne Arzneimittelforschung einzubinden.

Anderen Kräutern wurden im Laufe der Zeit neue Tugenden und Untugenden zugesprochen. "Der gelbe Saft, der in den Stängeln des Schöllkrautes fließt, galt lange Zeit als Mittel gegen Gallenbeschwerden. Man war wohl davon ausgegangen, weil er optisch dem Gallensaft ähnelt. Aber das war ein völliger Irrtum - weshalb er aus den Tees verbannt wurde", erzählt Dr. Horn. "Ähnlich erging es dem Spitzwegerich, der noch heute von manchen als Mittel gegen Husten angesehen wird. Falsch! Die Pflanze enthält sogar eine nicht geringe Anzahl leberschädigender Inhaltsstoffe. Rehabilitiert hingegen wurden die berauschenden Wermuth-Bestandteile des Absinth. Aus ihnen werden jetzt Malaria-Mittel hergestellt, von denen bislang keine Resistenzen bekannt sind." Auch die Annahme, man könne an Kräutern kaum eine Überdosis zu sich nehmen, ist ein Irrtum. "Zu viel Pfefferminztee beispielsweise birgt die Gefahr der Verstopfung", so Dr. Horn.

Aber nicht nur die heilende Wirkung der Pflanzen sollte ein Kriterium sein unter dem man die Schilder im Apothekergarten studiert. Verblüffend viele sind mit Kreuzen gekennzeichnet, die auf giftige Inhaltsstoffe hinweisen. Maiglöckchen, Fingerhut und Christrose zum Beispiel sind mit drei Kreuzchen versehen, was auf höchste Gefährlichkeit hinweist. Wer also eine Grünanlage oder einen Garten plant, tut nicht nur mit Blick auf die jüngsten Besucher gut daran vermeintlich leckere Beeren und Blüten mit gebührender Skepsis zu betrachten. Selbst der so aktuelle Kirschlorbeer hat ein Kreuzchen. Falls das Unheil aber dennoch geschehen ist in die Kinder mal gekostet haben, sollte man unbedingt einen Zweig mit zum Notarzt nehmen. "Außerdem müsste auch jeder Apotheker angesichts eines Pflanzenteiles eine Aussage treffen können", so Dr. Horn.

Wie jedes Jahr gibt es auch 2007 wieder eine Arzneipflanze und eine Heilpflanze des Jahres. Das Duftveilchen wurde zur Heilpflanze des Jahres 2007gewählt. Schon der griechische Arzt Hippokrates kannte die Heilwirkung des Veilchens und setzte es gegen Kopfschmerzen und Sehstörungen ein. Später gebrauchten namhafte Heilkundige die Pflanze gegen vielerlei Krankheiten: Die Äbtissin Hildegard von Bingen schätzte das Veilchen als Mittel gegen Fieber und Melancholie. Sebastian Kneipp verordneten das Veilchenkraut vorrangig als Hustenmittel. Von den Arzneipflanzen wurde der Hopfen ins Rampenlicht gerückt. Die Extrakte aus dessen Zapfen - das sind die zwei bis vier Zentimeter langen, grünlich-gelben weiblichen Fruchtstände - bilden heute in Kombination mit der Baldrianwurzel auch die häufigste Darreichungsform pflanzlicher Schlaf- und Beruhigungsmittel. Was alle Bierfreunde interessieren wird: Dr. Horn bestätigt, dass sie positive Wirkung des Hopfens auch im "Gerstensaft" noch in gewissem Maße erhalten bleibt.

Info: Der Garten ist im März, April und Oktober von 9:00 bis 18:00 Uhr geöffnet, von Mai bis September von 9:00 bis 20:00 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos.

Anmeldungen zu Führungen unter:
Telefon: 0341 97-36851
www.uni-leipzig.de/bota.

Die Gebühr für eine solche Exkursion beträgt 30 Euro, die Summe wird dem Förderverein des Botanischen Gartens überwiesen.