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Der Name Zverev - ein Medienproblem? Zur Aufnahme slavischer Namen im Deutschen. Unser Berater für slavische Namen, Prof. Dr. Karlheinz Hengst, mit seinem ersten Beitrag in unserem Blog.

 

Der Name Zverev - ein Medienproblem?

An Tiere erinnernde Familiennamen  haben zuweilen ihre Tücken. Das trifft freilich nicht zu auf so doch recht weit verbreitete Namen wie Eichhorn, Fuchs, Hengst, Hund, Löwe, Roß,Wolf usw.  Doch bei einem Namen, der eigentlich auch hierzu gehört, wie dem von Tennisprofi Alexander Zverev, kommen die Deutschen ins Stolpern. Das ist leicht erklärlich, wenn man weiß, dass Alexanders Vater A. M. Zverev 1960 in Russland geboren ist. Damit hängt zusammen, dass ja vor allem die Schriftform völlig ungewöhnlich erscheint. Schon allein der Anlaut mit Zv- ist im Deutschen ohne Parallele - wenn wir mal von der im Duden verzeichneten mundartlichen Form Zvieri für 'Nachmittagsimbiss' in der Schweiz absehen, da diese ohnehin weithin unbekannt ist.

Zv- ist also bereits von der Optik her ganz einmalig und auffällig. Der Eindruck verstärkt sich noch zum Ende des Familiennamens hin mit auslautend wiederum -v. Deutsche Familiennamen mit einem solchen Buchstaben am Ende kennt niemand. Auch DUDEN-Familiennamen von Rosa und Volker Kohlheim verzeichnet da nur Stanislav mit slawischer Herkunft, in dieser Form wohl aus dem Tschechischen übernommen. 

Es ist nun zunächst erstaunlich, dass sich wohl kaum jemand darüber Gedanken macht und etwa nachschaut, welche Geschichte der Name Zverev haben könnte. Bei einem Tennisprofi sind da zuerst Reporter und Moderatoren in der Öffentlichkeit betroffen. Sie werden sich aber an den Trainer und vor allem an den Namensträger selbst halten und dabei erfahren, wie der Name ausgesprochen wird. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Zverev bei Reportagen und Moderationen wiedergegeben wird mit gesprochen [tsweref]. Damit erscheint der Familienname russischer Herkunft schlagartig lautlich (phonisch) voll integriert ins deutsche Sprachsystem. In seiner Lautung bleibt er zwar etwas einmalig. Das ist aber nichts Ungewöhnliches. Schon deshalb nicht, weil das Deutsche andere  Familiennamen mit dem Anlaut [tsw] besitzt, vgl. Zweig, Zweiniger, Zwingli oder auch Zwanziger und Zwahr.

Als letztlich wohl einzig Verwunderung erregend bleibt das Schriftbild Zverev. Es wirkt absolut fremd und einsam. Das aber erklärt sich daher, dass der Familienname russischer Herkunft ist. Die Eltern des 1997 in Hamburg geborenen Alexander Zverev haben bei der Übersiedlung nach Deutschland den Namen mitgebracht. Dabei ist nach dem gemäß englischem Transliterationssystem bereits in Russland erfolgten Eintrag im Reisepass Zverev für die ursprüngliche russische Form Звepeв - gesprochen mit stimmhaftem /s/ [swerew] - nun mit genau den lateinischen Schriftzeichen Zverev auch in die deutschen Urkunden und schließlich auch in die Geburtsurkunde von Alexander eingetragen worden. Die in der Kommunikation weit häufiger mündlich verwendete Form spielte dabei keine Rolle. Sie ist und bleibt auch generell gegenüber der schriftlichen Urkundenform im Rechtsverkehr unerheblich. Das aber hat es mit sich gebracht, dass das russische stimmhafte /s/ im Anlaut nun für immer im lateinischen Schriftbild verschwunden ist.

Der Familienname Zvérev <  russ. zver' 'Tier, wildes Tier' gehört im Russischen zu jener Gruppe  von Eigennamen, die auf einer Tierbezeichnung beruhen wie Bobróv (Biber), Kónev (Ross), Kótov (Kater), Medvédev (Bär), Sobákin (Hund), Vólkov (Wolf) usw. Wir erleben aber eben auch in der EU nach wie vor, dass mit Z- anlautende Namen aus Staaten mit slawischen Nationalsprachen nicht als [s]  für stimmhaftes s (vgl. allein den ON Zagreb), sondern immer wieder abweichend von der Norm als [ts] bei Radio- sowie auch in TV-Sendungen ausgesprochen werden. Das Bemühen, anglophone Namen korrekt und damit der Ausgangssprache folgend zu artikulieren, hat noch bei weitem nicht dazu geführt, dieses Verhalten auch bei Namen aus Kroatien, Serbien, Slowenien, Slowakei, Tschechien und Polen anzustreben. In diesen Ländern wird überall mit  Z- das stimmhafte /s/ anzeigt.

Das heutige Erscheinungsbild von Zverev korrespondiert in gewisser Weise mit Z- in dem heutigen  Familiennamen Zwahr. Dieser Name ist aus dem Sorbischen schon vor vielen Jahrhunderten entlehnt worden. Walter Wenzel hat ihn in seinem Lexikon "Lausitzer Familiennamen slawischen Ursprungs" (Bautzen 1999) in urkundlichen Formen angeführt: 1136 Zwar, 1649 Zwar. Zugrunde liegt eine alte slawische Wurzel *svar- 'Streit, Kampf, Zank'. Bei der Niederschrift 1136 ist das slawische stimmlose /s/ im Anlaut von sv- damals allerdings mit dem lateinischen Zeichen <z> wiedergegeben worden, weil zu jener Zeit bis ins 13. Jahrhundert hinein das <z> als [ts] dem slawischen /s/ besser entsprach als ein <s>, das damals deutsch wie [sch] gesprochen wurde. Und einmal so in die Schrift übernommen ist der Familienname Zwahr dann in den folgenden Jahrhunderten nicht mehr verändert worden. Heute käme niemand auf die Idee, ihn etwa etymologisch begründet [swar] zu sprechen. So wird es auch dazu kommen, dass die Zverevs und ihre nächsten Generationen ihren Familiennamen  dem deutschen Schriftbild und der in ihrem Umfeld üblichen deutschen Aussprache  folgend [tswerew] aussprechen werden.

Ursache für die Diskrepanz zwischen beim Namensträger familiär ererbtem Lautbild und der damit auch in Deutschland "eigentlich" erwarteten Lautung einerseits und dem neuen Schriftbild  ist die juristisch verbindliche Praxis. Sie führt ohne Veränderungsmöglichkeit einen in einen Pass mit lateinischen Schriftzeichen eingetragenen Namen  verbindlich fort.

Der Familienname Zverev und seine Aussprache im Deutschen sind folglich wirklich kein Medienproblem.