Pressemitteilung 2022/207 vom

Von der Fledermaus bis hin zur Schlupfwespe – über das Vorkommen verschiedenster Tier- und Pflanzenarten in Leipzig gibt eine neue Datensammlung Aufschluss, die in einer Kooperation zwischen dem Botanischen Garten der Universität Leipzig und dem Naturkundemuseum Leipzig erschlossen wurde. Im Pilotprojekt LifeGate Leipzig wurden vorhandene und verfügbare elektronische Daten über in Leipzig vorkommende Arten gesammelt und ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass bislang längst nicht alle Arten gut dokumentiert sind.

Für das Projekt wurden mithilfe von 50 Institutionen und Privatpersonen insgesamt 130.000 Einträge von in Leipzig vorkommenden Arten in über 60 Datensätzen zusammengetragen. Sie wurden innerhalb des vergangenen halben Jahres von der Biologin Dr. Elke Freiberg zusammengestellt und überarbeitet. Letztlich verblieben Einträge zu rund 26.000 Arten, die in die Artenvielfalt-Datenbank LifeGate des Biologen Dr. Martin Freiberg, Kustos des Botanischen Gartens der Universität Leipzig und Mitglied des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), übertragen wurden. 

Gut 5.000 der erfassten Arten leben im Stadtgebiet von Leipzig in freier Wildbahn. Die anderen Einträge betreffen Arten, die zum Beispiel im Botanischen Garten oder im Zoo gehalten werden oder als Präparat in Sammlungen wie etwa Herbarien oder im Naturkundemuseum vorliegen. Die Wissenschaftler:innen interessierten auch weniger naheliegende Bereiche, in denen Biodiversität gefunden werden kann, beispielsweise die verschiedenen Holzarten, die in Musikinstrumenten verbaut sind.

Wasser- und Bodenorganismen sowie Parasiten wenig dokumentiert

Bei den in Leipzig wild lebenden Organismen seien einige Gruppen recht gut dokumentiert, wie etwa die Gefäßpflanzen, Fledermäuse, Singvögel, Tagfalter oder Wildbienen, so Dr. Martin Freiberg. Die Wissenschaftler:innen interessieren sich jedoch besonders für die aufgedeckten Lücken. So stellten sie durch die Datenanalyse fest, dass in Leipzig vergleichsweise wenige Wasser- und Bodenorganismen sowie Parasiten dokumentiert wurden, wie zum Beispiel Schlauchpilze, Grünalgen, Bärtierchen, Tausendfüßer, Silberfischchen, Springschwänze oder Schlupfwespen. „Viele dieser faszinierenden Lebewesen sind trotz ihrer enormen Bedeutung für ein funktionierendes Ökosystem keine Sympathieträger und vermutlich deshalb massiv unterrepräsentiert“, erklärt Dr. Martin Freiberg. 

Die Forscher:innen stellten außerdem fest, dass viele Leipziger Sammlungen noch nicht digitalisiert sind. „Wir gehen davon aus, dass allein die Summe der in Leipzig freilebenden Arten noch weitaus höher sein dürfte, als die verfügbaren Daten nahelegen“, führt Martin Freiberg weiter aus.

Riesige digitale Karte zur Artenvielfalt

Die Basis der Pilotstudie LifeGate Leipzig ist das Projekt LifeGate, eine riesige digitale Karte, die alle 2,6 Millionen bekannten Arten des Planeten enthält und im Sommer der Öffentlichkeit vorgestellt wurde (siehe auch Pressemitteilung vom 27.7.2022). Die Erkenntnisse aus der Leipziger Datensammlung sollen bald auch hier abrufbar sein. Nutzer:innen können sich dann durch einen Mausklick anzeigen lassen, welche Arten in Leipzig bereits dokumentiert worden sind.

Prof. Dr. Christian Wirth, Direktor des Botanischen Gartens der Universität Leipzig und Sprecher des iDiv, zeigt sich beeindruckt davon, welches Potenzial LifeGate in dieser Pilotstudie gezeigt habe. „Damit war es für uns erstmals möglich, ganz verschiedene Artenlisten in einem Produkt zusammenzuführen und zu präsentieren. Es zeigt sich der überwältigende regionale Schatz der Artenvielfalt Leipzigs quasi auf einen Blick. Er wird ohne Vorwissen zugänglich und auch direkt erlebbar, entdeckbar. Besonders den Akteuren, die Daten für das Projekt bereitgestellt haben, gilt unser Dank. Ihre große Anzahl zeigt, was Leipzigs Wissens- und Wissenschaftspotenzial ist.“

Kooperation mit dem Naturkundemuseum Leipzig

Dr. Ronny Maik Leder, Direktor des Naturkundemuseums Leipzig, bekräftigt: „Durch LifeGate kann die immense regionale Artenvielfalt einer Großstadt wie Leipzig – egal ob lebend in der Natur, lebend in einem Zoo oder Park oder konserviert in Museen und Sammlungen – schlussendlich im globalen Kontext betrachtet werden. Das gab es so einfach verständlich noch nie. Wir brauchen genau solche neuen Ansätze, um im neuen Naturkundemuseum Leipzig die Bedeutung der Artenvielfalt nicht nur zu vermitteln, sondern auch erlebbar zu machen.” 

Das Projekt wurde im Rahmen des Programms “Wissenschaft trifft Gesellschaft“ an der Universität Leipzig gefördert. Die Ergebnisse wurden vor Kurzem den Projektmitwirkenden, dem Referat Digitale Stadt der Stadt Leipzig, dem Förderverein des Botanischen Gartens und Mitarbeiter:innen der Universität vorgestellt. Eine erste Veröffentlichung für die Bürger:innen ist zur Langen Nacht der Wissenschaften geplant. Das Projektteam sucht aktuell nach Unterstützung aus Politik und Wirtschaft für die Weiterführung von LifeGate. 

 

Zitation: Freiberg, M., Reichert, M. (2021). LifeGate. An interactive phylogenetic map.