Ziel sei es, mit wissenschaftlichen Ansätzen Blicke auf Farben und auch auf daraus resultierende Bilder zu richten, sagt Schenkel. Beides prägt uns in unserem Alltagsleben sehr stark und spricht oftmals direkt das Unbewusste an. "Wir fühlen uns wohl mit bestimmten Farben, andere meiden wir", erklärt der Professor vom Institut für Anglistik der Universität Leipzig. Kunst, Politik und Literatur, Werbung und Mode arbeiteten fortwährend mit Farben als Kräften. Doch trotz ihrer Sichtbarkeit werden sie oft übersehen. Die Frage, welche Botschaften uns Farben um uns herum senden, die wir gar nicht bewusst wahrnehmen, weil wir so sehr an sie gewöhnt sind, sei ein guter Ansatz, sich dem Thema zu nähern, so Schenkel. "Das generelle anthropologische Problem ist, dass wir durch die fortschreitende technische Entwicklung immer weiter aus unserem menschlichen Farbspektrum ausrücken."
Zehn Referenten gehen im kommenden Semester mit Farben verbundenen Phänomenen und Fragen nach. Zum Beispiel: Wie entsteht Farbe im Gehirn bei Mensch und Tier und wie wurde Farbe über die Jahrhunderte gesehen und bewertet? Welche Rolle spielt die Farbe in der modernen Kunst und im Film? Welchen symbolischen Wert haben Farben in verschiedenen Kulturen und was sieht und weiß eigentlich ein Blinder von den Farben? "Nach dieser Vorlesungsreihe werden nicht nur wir die Farben anders sehen, wir werden auch anders von den Farben gesehen", ist Koordinator Schenkel überzeugt.
Ihren Auftakt bestreitet Dr. Eva Lübbe (TU Ilmenau). Sie erarbeitet derzeit eine Formel für die Farbsättigung und versucht in ihrem Vortrag "Farbe im Kopf - Farbsysteme und Farbsättigung" mit Hilfe von Farbfehlsichtigkeiten, Krankengeschichten und dem Sehen von Tieren die Natur der Farbwahrnehmung zu erklären. Besonders Faszinierendes verspricht, was der blinde Leipziger Therapeut Alf Michael Conrad über "Die Farben der Blinden" lehren kann.
Nach der Betrachtung der Farben eines Gottesdienstes steht aus aktuellem Anlass Johann Wolfgang Goethes vor 200 Jahren veröffentliche, naturwissenschaftliche Schrift über die Farbenlehre im Mittelpunkt. Wolfgang Oehme, Professor für Didaktik der Physik an der Universität Leipzig, vergleicht diese mit den früheren und späteren Lehren von Isaac Newton und Wilhelm Ostwald.
Auch um Farben im Film und Farbmoden - etwa bei Autos oder Haaren - wird es im "Studium universale" gehen. Der Leipziger Künstler Michael Fischer-Art referiert zudem über die marktwirtschaftlichen Bedingungen der Farbgebung. Warum viele Tiere mehr oder andere Farben als Menschen sehen und welche Auswirkungen das auf das Verhalten hat, wird von Hans-Joachim Wagner, Professor für Anatomie in Tübingen, vor allem mit neurobiologischen Aspekten des Aufbaus von Auge und Retina begründet. Die Diskussionen des Sinns von Farbgestaltung im Krankenhaus und des Symbolgehalts von Farben in Europa und Asien schließen die Reihe ab.
Internet: www.zv.uni-leipzig.de/studium/lebenslanges-lernen/studium-universale.html
Weitere Informationen zu allen Vorträgen und Referenten finden Sie in der folgenden Terminübersicht.
Terminübersicht
Ort: Hörsaal 1, Hörsaalgebäude Universitätsstraße 3, jeweils 19 bis 20:30 Uhr
(sofern nicht anders angegeben)
14.04.10 "Farbe im Kopf - Farbsysteme und Farbsättigung"
Referentin: Dr. Eva Lübbe
Farbe ist Empfindung, der Farbeindruck entsteht im Kopf. Dieser Eindruck, den unser Auge zusammen mit dem Gehirn erzeugt, ist so perfekt, dass viele annehmen, Farbe sei eine Eigenschaft von Oberflächen. Unsere Sprache verstärkt diesen Irrtum noch. Es wird versucht, die Natur der Farbwahrnehmung zu erklären, dabei helfen sollen Farbfehlsichtigkeiten, Krankengeschichten und das Sehen von Tieren.
Eva Lübbe ist Autorin und Dozentin und erarbeitet zurzeit im Rahmen ihrer Habilitation an der TU Ilmenau eine grundlegende Formel für die Farbsättigung.
21.04.10 "Die Farben der Blinden"
Referent: Alf Michael Conrad
Einsichten in die dunkle, verborgene, missverstandene Farbenwelt der Anderssehenden vermittelt in diesem Vortrag der blinde Alf Michael Conrad, "auf den Hund gekommener" Musiker und Freund des schwarz-bunten Humors.
Alf Michael Conrad ist freiberuflich als Fußreflexzonentherapeut in Leipzig tätig.
28.04.10 "Kirche einmal bunt? - Von den Farben des Gottesdienstes"
Referent: Prof. Dr. Peter Zimmerling
Lange Zeit wurde der protestantische Gottesdienst, speziell die Abendmahlfeier, von vielen Menschen als "traurige Unterhaltung" (I. Kant) betrachtet. Schwarz war die vorherrschende Farbe. Das war nicht immer so und muss auch nicht so bleiben. Ein Plädoyer für Farbenvielfalt im Gottesdienst. Peter Zimmerling ist Professor für Praktische Theologie, Studiendekan und zweiter Universitätsprediger an der Universität Leipzig sowie Domherr zu Meißen.
05.05.10 "Farbenlehre aus drei Jahrhunderten: Newton, Goethe, Ostwald"
Referent: Prof. Dr. Wolfgang Oehme
(Achtung: Da es sich um einen Experimentalvortrag handelt, findet diese Veranstaltung ausnahmsweise im Großen Hörsaal der Physik, Linnéstraße 5 statt.)
Im Vortrag sollen, durch zahlreiche Experimente unterstützt, die Grundzüge der Farbenlehren von Isaac Newton, Johann Wolfgang Goethe und Wilhelm Ostwald herausgearbeitet werden, wobei sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede offenbaren und Bezüge zur Drei- und Vierfarbentheorie entstehen.
Wolfgang Oehme ist Professor für Didaktik der Physik an der Universität Leipzig.
19.05.10 "Innovative Farbenspiele: Krzysztof Kieslowskis Filmtrilogie"
Referent: Dr. Hans-Christian Trepte
Krzysztof Kieslowski zählt neben Andrzej Wajda zu den namhaftesten polnischen Filmregisseuren. International bekannt wurde er mit "Dekalog", vor allem aber mit seiner Filmtrilogie "Drei Farben", mit der er den Bannkreis des (ewig) Polnischen verließ. "Drei Farben" ist das ambitionierteste Werk Kieslowskis. In seinen drei Teilen greift die Filmreihe Motive der französischen Revolution auf: 1. Blau (Freiheit), 2. Weiß (Gleichheit), 3. Rot (Brüderlichkeit).
Hans-Christian Trepte ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Slavistik der Universität Leipzig und Mitherausgeber der Zeitschrift "Westostpassagen".
02.06.10 "Streiche bei Blondinen die Decke über der Wanne Weiß, bei Brünetten dagegen Blau - Farbe und Wohngefühl im Klassizismus"
Referent: Prof. Dr. phil. habil. Johannes Tripps
Nicht erst im 20. Jahrhundert, sondern bereits im Klassizismus, motiviert durch das Zeitalter der Empfindsamkeit, wurde bei der Auswahl der Farben und Tapeten für Innenräume deren farbpsychologische Wirkung berücksichtigt und diskutiert. So sollte z. B. laut Immanuel Kant Orange zur Kühnheit, Grün zur Freundlichkeit, Gelb zur Freimütigkeit oder Violett zur Zärtlichkeit anregen. Der Vortrag möchte einen kaleidoskopartigen Einblick in ein heiteres Kapitel europäischer Kulturgeschichte geben.
Johannes Tripps ist Professor für Kunstgeschichte der Materiellen Kultur an der HTWK Leipzig.
09.06.10 "Der marktwirtschaftliche Realismus"
Referent: Michael Fischer-Art
Der marktwirtschaftliche Realismus löst den sozialistischen Realismus direkt ab. Es geht um Farbe, um Leben, um öffentlich zugängliche Bereiche von Architektur bis zum Gebrauchsgegenstand.
Michael Fischer-Art ist Diplom-Grafiker und seit 1992 freischaffend tätig.
16.06.10 "Farbsehen bei Mensch und Tier"
Referent: Prof. Dr. Hans-Joachim Wagner
Viele Tiere sehen mehr Farben oder andere Farben als Menschen. Warum das so ist und welche Auswirkungen das auf das Verhalten hat, wird an einigen interessanten Beispielen erläutert. Im Vordergrund stehen neurobiologische Aspekte des Aufbaus von Auge und Retina.
Hans-Joachim Wagner, Professor für Anatomie in Tübingen, begann seine Laufbahn als Romanist und Biologe. Er ist seit 20 Jahren Tiefseeforscher und war von Anfang an am visuellen System interessiert.
23.06.10 "Alles Weiß oder tutti colori? - Die Frage nach dem Sinn von Farbgestaltung im Krankenhaus"
Referentin: Kathrin Stöver
Farben im Krankenhaus - unsere Assoziationen und eventuellen Erfahrungen beschränken sich auf Weiß, Weiß, Weiß, dann Grün, vielleicht Blau (funktional gebunden, z. B. an Arbeitskleidung) und gelegentlich etwas Rot. Wäre "bunter" besser und, wenn ja, wo und warum? Gibt es Vorzüge, Grenzen und Nachteile für Patienten und Beschäftigte?
Kathrin Stöver hat Kunstwissenschaften und Kunstgeschichte studiert und ist als Physiotherapeutin an der Uniklinik Leipzig tätig.
30.06.10 "Farbe bekennen. Vom Symbolgehalt von Farben in Asien und Europa"
Referentin: Carola Krebs
Der Vortrag geht den Spuren der Bedeutung von Farben nach und gibt einen Überblick über deren Symbolik in den Religionen und im Alltag Südasiens. Ausgehend von unseren eigenen europäischen Kulturen und den Erkenntnissen aus Naturwissenschaft und Geschichtsforschung will er das Bewusstsein für dieses interessante Thema wecken und die Farben in einem neuen Licht erstrahlen lassen.
Carola Krebs ist Diplom-Ethnologin und als Kustodin für Südasien im GRASSI Museum für Völkerkunde tätig.