Bereits veröffentlichte internationale Studien über SARS-Virus-Ausbrüche schließen vielfach jüngere Menschen mit ein. Diese Studien zeigen im Ergebnis klare negative psychosoziale Folgen von Isolations- und Quarantänemaßnahmen. Über die Reaktion älterer Menschen ist dagegen bisher wenig bekannt. Das veranlasste die Wissenschaftlerinnen vom Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) eine Momentaufnahme der psychischen Gesundheit alter Menschen direkt im Lockdown zu untersuchen. Die Wissenschaftlerinnen befragten im April dieses Jahres insgesamt 1005 Senioren im Alter von 65 bis 94 Jahren zu ihren persönlichen Einstellungen zur Pandemie und zu den Maßnahmen des Gesundheitsschutzes sowie zu ihrer psychosozialen Gesundheit. Die Ergebnisse dieser repräsentativen Stichprobe in Bezug auf Depressivität, Ängstlichkeit, Somatisierung und Einsamkeit unterschieden sich nicht von den Resultaten, die man für die deutsche Allgemeinbevölkerung aus Vor-Pandemie-Zeiten kennt. Die soziale Unterstützung hingegen wurde insgesamt als besser empfunden. Dabei fühlten sich ältere Menschen, die zum Beispiel telefonisch oder virtuell in engem Austausch mit anderen Personen jenseits des eigenen Haushalts standen, besonders sozial unterstützt. Diejenigen, wo dies nur partiell der Fall war, wiesen mehr Stresssymptome auf.
Prof. Dr. Steffi G. Riedel-Heller, Direktorin des ISAP der Medizinischen Fakultät, resümiert: „Die psychosoziale Gesundheit älterer Menschen in Deutschland erwies sich während des COVID-19-Lockdowns insgesamt überraschenderweise als wenig verändert. Es wurde eine große Akzeptanz und auch Resilienz gegenüber der herausfordernden pandemischen Situation deutlich.“ Studienkoordinatorin Dr. Susanne Röhr ergänzt: „Die älteren Menschen nahmen es dabei keineswegs auf die leichte Schulter, die Mehrheit war besorgt. 90 Prozent der Senioren waren allerdings mit den von der Regierung getroffenen Maßnahmen des Gesundheitsschutzes einverstanden und unterstützten diese. Gleichwohl erwiesen sich ältere Menschen in Deutschland im Corona-Lockdown als mehrheitlich psychisch stabil. Allenfalls sehen wir leichte psychologische Effekte des zeitlich begrenzten Lockdowns in bestimmten Subgruppen, die gegebenenfalls mehr Schwierigkeiten mit der Anpassung an die neue Situation hatten. Wiederholte Erhebungen im Verlauf der Pandemie sind notwendig, um mögliche längerfristige Effekte aufzudecken.“ Beide Wissenschaftlerinnen sind im Kompetenznetz Public Health COVID-19 organisiert. Die Ergebnisse der aktuellen Studie sind beim Journal Epidemiology and Psychiatric Sciences eingereicht und über den Preprint-Server PsyArXiv zugänglich.