Die Wissenschaftler untersuchen die ideologische und politische Arbeit des sudetendeutschen Kameradschaftsbundes. Der aus der Jugendbewegung hervorgegangene und Mitte der zwanziger Jahre als "Arbeitskreis für Gesellschaftwissenschaften" gegründete "Männerbund" entwickelte sich zu einem der prominentesten politischen Zirkel innerhalb der deutschen Minderheit der Ersten Tschechoslowakischen Republik (CSR). "Mit seinem völkisch-antidemokratisch ausgerichteten 'Stammeskörperkonzept' trug der KB wesentlich zur Politisierung und Popularisierung einer sudetendeutschen Identität bei, die sich erst nach 1918 allmählich herausbildete und deren Existenz zunächst eine Behauptung völkischer Intellektueller war", erklärt Wilfried Jilge.
Der KB sei Initiator und Motor in dem Einigungs- und Radikalisierungsprozess der deutschen Minderheit, der schließlich in die Ausrufung der Sudetendeutschen Heimatfront 1933 mündete. In dem Projekt gehe es auch um die Frage, ob der KB trotz der heftigen Machtkämpfe im rechten Lager eigenständige, antidemokratische Perspektiven auf einen "Anschluss" an das Reich entwickelte und ob er politische Brücken vom "Sudetenland" in das nationalsozialistische Deutschland baute, ohne dass seine politischen Vorstellungen mit denen des Nationalsozialismus in allen Punkten identisch waren.
"Bis heute werden die Bedeutung und die Rolle des KB im Vorfeld des Münchner Abkommens und der Zerschlagung der CSR kontrovers beurteilt. Die als Endprodukt angestrebte monographische Untersuchung bildet daher auch einen Beitrag zur Erforschung eines der neuralgischsten Punkte in den deutsch-tschechischen Beziehungen des 20. Jahrhunderts", sagte Troebst.
Die Materialbasis der Untersuchung bilden teilweise noch ungenutzte Bestände einschlägiger Archive in Deutschland, Österreich und der Tschechischen Republik sowie die zeitgenössischen Periodikin der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig und der Universitäts- und Staatsbibliotheken der genannten Länder.