Pressemitteilung 2008/199 vom

Die Universität Leipzig trauert um Physikprofessor Dr. Dr. h.c. Harry Pfeifer, der am 28. September im Alter von 79 Jahren gestorben ist. Der am 25. Februar 1929 in Penig (Sachsen) Geborene zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten der Nachkriegsgeneration Leipziger Wissenschaftler, von 1969 bis 1991 war er Dekan der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften.

Seit seinem nach Ende des zweiten Weltkrieges begonnenen Physikstudium in Leipzig ist er seiner Universität aufs engste verbunden geblieben. Sein unermüdliches Wirken als Hochschullehrer und Forscher hat Generationen von Physikern, Physiklehrern und verwandten Naturwissenschaftlern, die an der Universität Leipzig ihre Ausbildung erhielten, geprägt und das Forschungsprofil der Fakultät beeinflusst.

Sein wissenschaftliches Werk ist eng mit der Entwicklung einer sich als universell herausstellenden Messmethode, der kernmagnetischen Resonanz (NMR), verbunden. Noch in den Ruinen des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Physikalischen Instituts gelang ihm 1951 (auf Vorschlag von Artur Lösche), erstmalig in Deutschland, der Nachweis dieses Phänomens, das 1946 in den USA entdeckt worden war (Felix Bloch, der 1927-1933 als Doktorand und später als Privatdozent bei Werner Heisenberg in Leipzig gewirkt hatte, und Edward M. Purcell erhielten dafür 1952 den Nobelpreis für Physik). Seitdem hat die kernmagnetische Resonanz eine beeindruckende Entwicklung genommen und ist heute jedermann in Form der Magnetresonanz-Tomographie bekannt.

Harry Pfeifer hat das ungeheure Potenzial der Methode gleich erkannt und ihr insbesondere auf seinem eigenen Forschungsgebiet, der Molekül- und Grenzflächenphysik, ein breites Anwendungspotential erschlossen. Sehr frühzeitig hat er die Vorteile gepulster Verfahren gesehen und umfangreiche Geräteentwicklungen auf diesem Gebiet durchgeführt, bevor hochwertige kommerzielle Geräte verfügbar waren. So ist es bezeichnend, dass bereits kurz nach der Einführung der Magnetresonanz-Tomographie durch Paul Lauterbur (USA) und dem Leipziger Ehrendoktor Peter Mansfield (Großbritannien), an die hierfür 2003 der vierte Nobelpreis für Entdeckungen auf dem Gebiet der NMR vergeben wurde, Harry Pfeifer in seiner Gruppe wohl erstmalig die Möglichkeiten der bildgebenden NMR-Verfahren für Forschungen auf dem Gebiet der chemischen Verfahrenstechnik einsetzte.

Für Harry Pfeifer war von Beginn an die internationale Wissenschaft entscheidender Gradmesser für Erfolg und Quelle der wissenschaftlichen Arbeit. So war es insbesondere der Kontakt mit führenden Wissenschaftlern der damaligen Sowjetunion (St. Petersburg, Kasan, Novosibirsk), von Polen (Krakow, Poznan, Torun, Bydgoszsc) und der CSSR (Prag), aus dem seine Mitarbeiter wichtige Anregungen für ihre Arbeit erhielten. Harry Pfeifer setzte sich aber auch mit aller Entschiedenheit für den Kontakt seiner Gruppe mit der gesamten internationalen Wissenschaftlergemeinschaft ein. So haben sich bereits in den Zeiten vor 1989 persönliche Beziehungen zwischen ihm selbst wie auch den Mitgliedern seiner Gruppe mit Kollegen jenseits des eisernen Vorhanges ausbilden können, mit hochgeschätzten Fachkollegen aus der damaligen Bundesrepublik, der Schweiz (vor allem mit Nobelpreisträger Professor Richard R. Ernst aus Zürich), Frankreich und den USA. Es ist daher sicherlich kein Zufall, dass große Forschungsverbünde in der Fakultät für Physik und Geowissenschaften, die nach 1990 von seiner Abteilung initiiert worden sind, gerade auf einer engen internationalen Vernetzung beruhen. Dass diese Kontakte innerhalb eines geeinten Deutschlands inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden sind, zählte für Harry Pfeifer zu den beglückendsten Errungenschaften unserer Zeit. Das heutige, ausgesprochen hohe Ansehen der Leipziger Magnetischen Resonanz in der Welt ist zweifellos eng mit seinem Wirken verbunden.

Harry Pfeifers Publikationen umfassen viele wissenschaftliche Artikel und zahlreiche Bücher. Seine Aktivitäten reichen bis kurz vor seinem völlig unerwarteten Tode. Besonders hervorzuheben ist seine Sorge um den wissenschaftlichen Nachwuchs, um dessen Ausbildung er sich höchst erfolgreich bemüht hat. Wir sind von seinem unerwarteten Hinscheiden tief betroffen und verneigen uns in großer Dankbarkeit vor dem weltweit hoch geachteten Wissenschaftler und unserem akademischen Lehrer. Wir werden sein Andenken in allen Ehren bewahren. Die Trauerfeier findet am 10. Oktober um 14:00 Uhr auf dem Leipziger Südfriedhof statt.